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                                    Wein hat mit Gefühl zu tun
„Ich rieche und schmecke an nahezu allem, jeden Tag. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, schnuppere ich an Bäumen und Blumen. Betrete ich einen Weinberg, nehme ich die Erde in die Hand, rieche an ihr. Das würde ich auch allen raten, die ihren Geschmack und Geruch trainieren wollen: mit offener Nase und offenen Augen durch die Welt zu gehen, auch mal, warum nicht, an einem Stein lecken und überle- gen, wie er schmeckt.
Seit 13 Jahren arbeite ich als Weinsommelier, an manchen Tagen verkoste ich 300 bis 400 Wei- ne. Wenn man über längere Zeit nicht verkostet, vergisst die Zunge wieder, man muss immer dranbleiben. Je länger man sich mit Weinen beschäftigt, umso mehr wird man zum Gour- met und ein bisschen versaut, die Ansprüche steigen. Diese Erfahrung machen übrigens auch Laien, die häufiger Weine probieren.
Ich empfehle, privat Verkostungen zu orga- nisieren, um den Geschmack zu schulen, das kann viel Spaß machen. Dabei sollte man sich auf eine Rebsorte beschränken, etwa Sauvignon blanc, und drei typische Vertreter dieser Sorte kaufen. Vor der Verkostung kann man sich über die Aromen, die die Weine auszeichnen, infor- mieren und eventuell ein paar Früchte einkau- fen, die mit den Aromen korrespondieren. Ein typisches Aroma für Sauvignon blanc ist zum Beispiel Stachelbeere. Man kauft sich ein paar frische Stachelbeeren, stellt sie in einer Schale auf den Tisch, riecht daran, nimmt auch mal eine Beere in den Mund. Dann versucht man, dieses Aroma im Wein wiederzufinden. Mit die- ser Methode kann man seinen Geschmack ent- scheidend verfeinern. Wein hat ganz viel mit Sinnlichkeit und Emotionen zu tun.“
BIOGRAFIE
Maximilian Wilm, 35, wurde 2019 von der Sommelier­Union zum besten Weinsommelier Deutschlands gekürt. Er ist Betriebsleiter und Sommelier bei Kinfelts Kitchen & Wine in der Hamburger Hafencity. Dort stehen rund
400 Weine auf der Karte, 90 Pro­ zent sind aus Bio­Produktion. Auch privat trinkt Wilm lieber bio als herkömmlich herge­ stellten Wein, „weil es für
mich die lebendigeren und nachhaltigeren Weine sind“.
 KOSTBAR
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