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BILD am SONNTAG, 19. Juli 2020
10 . SPORT Heute vor 40 Jahren begannen die Olympischen Spiele in Moskau
A m 15. Mai 1980 stimmte das
Nationale Olympische Ko-
mitee der Bundesrepublik
für den Boykott der Olym-
pischen Spiele in Moskau, die heu-
te vor 40 Jahren eröf net wurden.
Vorausgegangen waren Monate
voller Druck von Seiten der Politik,
Diskussionen mit Sportlern und dem
Widerstand wichtiger Funktionäre.
BamS zeichnet die dramatischen Ent-
wicklungen nach.
VON MATTHIAS MARBURG
Die Sitzung im Hotel InterContinental bestätigt of ziell den Einmarsch ih-
28. Dezember 1979: Die UdSSR
Die Mitglieder, vier Ehrenmitglieder, zwei IOC-Mitglie- rer Truppen in Afghanistan.
Düssel dorf dauerte genau vier Stunden. Am Ende
entschieden die 23 olympischen Fachverbände
(mit je drei Stimmen), 23 persönliche NOK-
4. Januar 1980: US-Präsident Jim-
der und DSB-Präsident Weyer pro Boykott
my Carter spricht erstmals über ei-
nen möglichen Boykott.
9. Januar: Bundesinnenminister
Gerhart R. Baum spricht sich gegen
dramatischen dent Willi Daume einen Boykott aus.
13. Januar: Die beiden großen deut-
schen Kirchen äußern sich gegen ei-
Gegen
den Boy-
nen Boykott.
kott: NOK-Präsi-
18. Januar: Willi Weyer, Präsident
des Deutschen Sportbunds: „Der Sport
(r.) und IOC-Mit-
Wochen vor glied Berthold taugt nicht zum Knüppel der Macht-
politik!“
Beitz
20. Januar: US-Präsident Jimmy
Carter stellt der Sowjetunion ein Ul-
timatum: Wenn die Truppen nicht
innerhalb eines Monats aus Afgha-
nistan abgezogen werden, werden
der Boykott- Teilnahme. Neben ihm die USA die Spiele boykottieren +++
Kurze Zeit später tritt in Bonn Re-
gierungssprecher Armin Grünewald
Athleten-
vor die Presse: „Die Regierung der
Sprecher Tho-
USA hat uns gebeten, eine Initiative
mas Bach (r.) warb
im gleichen Sinne gegenüber dem
in Düsseldorf für eine
NOK für Deutschland zu ergreifen.“
Entscheidung Kanutin Ulrike Deppe +++ Im ZDF sagt ein Sprecher der
und Turner Eber-
Olympischen Spiele in Moskau, dass
hard Gienger
die Vorbereitungen „normal“ wei-
terlaufen.
21. Januar: Die Einladungen
des Moskauer Organisationsko-
mitees tref en bei 140 NOKs welt-
weit ein. Bis zum 19. Mai werden
Der US-Präsident mach- Das die Antworten erwartet. +++ Das
Präsidium der CDU unterstützt
Protokoll
te Druck, die deutsche der Sitzung. Carters Vorschlag. +++ Willi Wey-
er verurteilt im Namen des DSB-
Regierung folgte. Sportler, Protokollführer Präsidiums Boykott-Absichten.
22. Januar: Die Bundestags-
ist Walther
Kirchen und sogar Funktio- Tröger fraktion der CDU stimmt für den
Boykott. +++ Die Behörden der
UdSSR lassen Friedensnobelpreis-
näre waren dagegen träger Andrej Sacharow festneh-
men. Er wird nach Gorki (heute:
23. April: Nischni Nowgorod) verbannt. Da-
Die Bundes- durch verstärkt sich in vielen Län-
regierung dern die öf entliche Meinung ge-
empf ehlt den gen die Sowjetunion.
Boykott 23. Januar: Die Bundesregie-
rung aus SPD und FDP unter Kanz-
ler Helmut Schmidt hat sich noch
nicht entschieden, hof t auf eine ge-
meinsame Regelung der EG-Außen-
minister. +++ Das französische NOK
15. nimmt die Einladung aus Moskau an.
Mai: 24. Januar: Das US-Repräsentan-
Die tenhaus stimmt mit 386:12 für einen
Liste der Boykott.
Funktionäre, 26. Januar: Das NOK-Präsidium
die über Olym- tagt in Düsseldorf. Ergebnis: „Eine
pia entscheiden Entscheidung über die Teilnahme ist
5. März 1980: zu diesem Zeitpunkt nicht zu fällen.“
Bundeskanzler 28. Januar: Auf einer Konferenz
Schmidt besucht in Islamabad/Pakistan befürworten
Carter in Washington. 36 islamische Staaten den Boykott.
Der US-Präsident drängt 29. Januar: Der US-Senat stimmt
auf einen Boykott mit 88:4 für ein Fernbleiben der ei-
der Spiele genen Sportler von den Spielen.
31. Januar: Beratung der EG-Au-
ßenminister in Brüssel. Zwei Regie-
rungen (Niederlande, Großbritanni-
en) sind für den Boykott, zwei dage-
gen (Frankreich, Irland) und fünf sind
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