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In seinem auch heute noch lesenswer- ten Spätwerk „Zur Geschichte und Li- teratur des Schachspiels“(1897) ist Von der Lasa (1818 – 1899) aber wieder von der These, dass das Vierschach ein Vor- läufer des Zweischachs gewesen sei, ab- gerückt. So schreibt er auf der Seite 7:
fand. Der buddhistisch geprägte FIDE- Präsident Kirsan Ilyumshinov wirbt in moderner Zeit erneut dafür, besser Schach zu spielen als Kriege zu führen.
Wie schon erwähnt wurden bisher in NordindienkeineantikenSchachfiguren gefunden. Das Buch aus Indien bietet dafür eine mögliche Erklärung an. Dem- nach wären figürliche Darstellungen der alten Schachfiguren selten, weil sie für die einfachen Leute zu teuer in der Her- stellung waren. Stattdessen sollten die Archäologen nach den einfachen For- men suchen, wie sie in der Abbildung unten dargestellt und heute in Indien noch gebräuchlich sind.
Die ältesten Schachfiguren, die eindeu- tig als solche einzuschätzen sind, stam- men aus der Gegend um Samarkand, einem wichtigen Knotenpunkt der Sei- denstraße; die Funde wurden in Afrasi- ab (um 761), Fergana und Nishapur (9.– 10. Jahrhundert) gemacht (Wikipedia).
ImTschaturangaundimChatranggalten andere Regeln als im heutigen Schach. Der Vorläufer der Dame konnte nur ein Feld diagonal ziehen, beherrschte also maximal vier Felder. Der Läufer sprang ins übernächste Feld, und den Doppel- schritt der Bauern gab es auch noch nicht. Umgewandelt wurde immer in den Fers.
Das muss aber nicht bedeuten, dass nicht schon in der damaligen Zeit ers- te Schachideen entwickelt wurden, die zwarnichtnachweisbarüberliefertsind, aber möglicherweise doch von Gene- ration zu Generation weitergegeben wurden. Die schriftliche Überlieferung scheint erst mit der Übernahme des Schachspiels durch die Araber im 7. Jahr- hundert in Persien zu beginnen, womit ich mich ab dem nächsten Beitrag nä- her beschäftigen werde.
Eine wichtige Leitidee könnte aber doch von den indischen Ursprüngen überdau- ert haben. Die Autoren des mehrfach er- wähnten indischen Buches meinen, dass der Schutz des Königs für seine Unter- tanen höchste Priorität hatte, wenn es zu Kriegen mit benachbarten Königen kam. Denn wenn der eigene König fiel, wurden die Bevölkerung vom Sieger ver- einnahmt und litt darunter.
Die Autoren sehen darin einen mögli- chen Grund, warum die Regeln des Cha- turanga das Schlagen des Königs nicht erlaubten.
schachgeschichte
„Im Vertrauen auf die Stich- haltigkeit der Forbes’schen Schachgeschichte habe auch ich in den Einleitungen zum Bilguer’schen Handbuch 1858, S. 64 u. 74, der Anerkennung des Würfelvierschachs Vorschub geleistet, indes haben die spä- teren Auflagen dasselbe, mit Recht, als Urschach wieder fallen gelassen.“
Von der Lasa geht auf der ersten Sei- te seines Werkes auf einen Vortrag des Akademikers Freret ein, der am 24. Juli 1719 in Paris gehalten wurde. Freret hat- te behauptet, dass die Perser sich nicht als die Erfinder des Schachspiels ansä- hen, sondern es in der Regierungszeit des Königs Chosraus I. (531–579) von einer indischen Delegation des Königs Divsaram (Sarvavarman im neuen Buch aus Indien) erhalten hätten.
Schon Freret ging auf die in den letzten Jahren wiederbelebte These ein, dass China das Ursprungsland des Schachs sei. Nach seinen Angaben, die später durch den Sinologen Legge überprüft und ergänzt wurden, soll Schach in der Regierungszeit des chinesischen Kaisers Vouti (551-577) von Indien nach China gekommen sein.
Mir ist nicht bekannt, ob diese Anga- ben durch neuere Forschungen ge- stützt oder widerlegt wurden, aber es erscheint mir sehr unwahrscheinlich, dass China das Ursprungsland unseres Schachspiels ist.
Ein wichtiges Indiz für die These vom in- dischen Ursprung ist die Namensgleich- heit von Chaturanga (indisch) und Chat- rang (persisch), die wahrscheinlich auf eine Entstehung des Chatrang aus dem Chaturanga zurückgeht. Das indische Wort Chaturanga bedeutet "vier Ele- mente" oder "vier Teile".
Chaturanga-Figuren
Mit diesem Begriff wurde die indische Armee bezeichnet, welche aus den vier Elementen Infanterie, Kavallerie (Pferd), Streitwagen und Elefanten zusammen- gesetzt war. Diese Form der Armee war etwa vom 4. vorchristlichen bis zum 7. nachchristlichen Jahrhundert üblich, was in etwa den zeitlichen Rahmen für die Entstehung eines Spiels abgrenzt, das ein Abbild dieser Armee sein will.
Die älteste schriftliche Erwähnung von Chaturanga in indischen Sanskrit-Tex- ten findet sich in der Harshacharita, geschrieben vom indischen Hofpoeten Bana um 625–640. Es ist die offizielle Geschichte König Shrî Harshas von Ka- nauj, der über ein mächtiges Königreich im Gangestal herrschte und dafür be- kanntwar,zumBuddhismuskonvertiert zu sein. Bana beschreibt den Frieden, der dadurch im ganzen Lande einkehrte:
„Unter diesem Herrscher strit- ten nur die Bienen, um den Ho- nigtau zu sammeln; die einzigen Füße, die abgeschnitten wurden, waren die der Maße, und nur von Ashtâpada konnte man ler- nen, Chaturanga herzuleiten, es gab keine Vierteilung der verur- teilten Kriminellen ...“
Vermutlich meint Bana hier, dass die Aufstellung der indischen Armee nur noch auf dem Brett (Ashtapada) statt-
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R O C H A D E E U R O PA MAI 2017


































































































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