Page 84 - Dez2017
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Die Aufgabe des Winzers: nichts beschönigen, nichts überdecken, sondern dem Terroir zu seinem natürlichen Ausdruck verhelfen.
Was ist der wahre Geschmack des Scharzhofbergs?
„Unnahbar, irgendwie widerspenstig. Man merkt das, wenn man da oben steht. Da oben  ndet Wetter statt“, sagt Martin Kössler, 61, der in Nürnberg eine der ältesten Weinhandlungen für naturnahe Weine betreibt. Er kennt die Weine aller Winzer am Scharzhofberg, verkauft aber derzeit keinen davon. Kössler hat nur noch Bioweine in seinem Programm: „Ich behaupte, Sie kriegen eine Lage erst zum Sprechen, wenn der Boden lebendig und gesund ist.“
Selbst die Weine von Max von Kunow, dem Fair’n-green-Winzer, hat er aus dem Programm genommen. Das Label ist Kössler nicht konsequent genug. Trotzdem mag er Kunows Weine. „Bei ihm hat man das Gefühl, dass man tatsächlich die Saar schmeckt.“ Auch in den Weinen von Niewodniczanski glaubt er den Berg zu erkennen, das sei „so ein grundwürziger, grüner, unfreundlicher Grundton, der Zeit braucht, um sich zu öffnen – ein bisschen, wie die Lage eigentlich ist“.
Und Müller?
„Egon Müller ist so ein Denkmal, dass er Egon- Müller-Weine machen muss. Die scheinen mir mehr von Stil und Machart als unverwechselbar vom Weinberg geprägt.“
Im August 2015 schockiert eine Nachricht die Winzer am Scharzhofberg: Bei Annegret Reh-Gartner, der einzigen Frau am Berg, ist Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden. Die Müllers sind mit Reh-Gartner und ihrem Mann befreundet, in der nächsten Zeit laden sie ihn oft zum Abendessen ein, während Annegret Reh- Gartner im Krankenhaus liegt. Jetzt zahlt sich aus, dass sie ihr Unternehmen nicht hierarchisch geführt hat, darauf geachtet hat, dass die Leute zueinanderpassen. „Jeder hat gewusst, was er zu tun hat“, sagt Reh-Gartner später. „Ich glaub, ich hab noch nie so schöne Trauben gesehen“, sagt Müller. Es ist Ende August, und er hat jetzt Zeit, sich Fragen zu stellen. Das Jahr war so trocken, dass er glaubt, dass er auch ohne Fungizide hätte auskommen können. Herbizide, zu denen bei vielen Winzern auch das umstrittene P anzengift Glyphosat gehört, hat er nicht verwendet. Aber er möchte nicht grundsätzlich auf sie verzichten:
to turn into a Riesling which deserves the Egon Müller label, they are sold to other wineries instead, as happened last in 1986 and 1987 - Müller‘s  rst year as head of the winery. In the meantime, global warming is helping Saar winemakers. It is a good sign that the  owers have bloomed so early this year. „It says a lot about our chances,“ says Müller. „But there‘s no guarantee.“
A few days later, Müller is standing in a powder- blue suit in the Historical Telegraph Room in Berlin. It is the „Gala of Great Wines“, where his wholesaler brings together producers and buyers. Expensive wines are not only made on the hill and
in the cellar; so the demand remains high, the winemakers must present themselves too. Müller already travelled to Melbourne, New York, Toronto, Venice and London in the  rst  ve months of 2015. Now he is standing in Berlin, while two wine bloggers with lip piercings approach his table. In front of Müller is his „quality wine“ for € 28, followed by his vintage wines, which are always concentrated and golden - up to late vintages priced at € 124.90. Müller stands there smiling. As soon as someone lifts his glass, he pours the wine into it. No explanation, no small talk. He doesn‘t like such situations. „My wife says, whenever someone comes to the stand, you turn away.“
A few tables down, overtopping all, is Roman Niewodniczanski. He is surrounded by wine disciples, preaching about the „trend towards cool-climate regions“, and the „comeback of Saar wine“.
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