Page 82 - Dez2017
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Die Scharzhofberger Trockenbeerenauslese von 2003 ist der teuerste Weißwein der Welt – von uralten historischen Raritäten abgesehen.
Jeden Morgen um fünf schnürt er seine alten Joggingschuhe und geht durch den Weinberg, solange es noch kühl ist. In diesen Tagen sieht er die ersten Blüten. Von jetzt an brauchen die Trauben ziemlich genau 120 Tage, um von einem hellgrünen Stecknadelkopf zu einer mit Wasser, Zucker und Säure gefüllten Frucht zu reifen, 20 Tage länger als beispielsweise im Burgund. Fortan werden sie alles, was das Jahr bringt, in sich aufnehmen, jeder Sonnentag wird ihren Zuckergehalt erhöhen, jeder Sturm ihre Häute beschädigen. Es ist diese lange Reifezeit, welche die Trauben an der Saar so aromatisch werden lässt, während gleichzeitig das Risiko steigt, dass es im Herbst die Ernte verhagelt. Sind die Trauben nicht gut genug, um daraus einen Riesling zu pressen, der das Etikett
Müller can sell them.
Müller must make the  rst important decision in May. He sees tractors in the neighbouring plots driving up the hill, and behind them, a  ne white cloud of fungicides.
Last Autumn, stains appeared on the leaves of the vines: black rot, a fungus that has also been appearing around the Saar for the past few years due to global warming. Müller struggles with himself. He‘s not an eco-winemaker. However, he tries to use as few spray agents as he can. The treatment does not only bring the fungus to a standstill. It also means it takes longer for the grapes to ripen, which may ultimately matter, even more for Müller than for his neighbours, because
Egon Müller verdient, werden sie an Kellereien verkauft, so geschehen zuletzt 1986 und 1987 – Müllers erste Jahre als Gutschef. Inzwischen hilft die Klimaerwärmung den Saarwinzern. Dass die Blüte in diesem Jahr schon so früh beginnt, ist ein gutes Zeichen. „Es sagt einiges aus über unsere Chancen“, sagt Müller. „Aber es gibt einem keine Garantie.“
Ein paar Tage später steht Müller in einem taubenblauen Anzug im Historischen Telegraphensaal in Berlin. Es ist die „Gala Großer Weine“, auf der sein Großhändler Produzenten und Käufer zusammenbringt. Teure Weine werden nicht nur am Berg und im Keller gemacht; damit die Nachfrage hoch bleibt, müssen sich die Winzer präsentieren. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 war Müller schon in Melbourne, New York, Toronto, Venedig und London. Jetzt steht er in Berlin, während sich zwei Wein-Blogger mit
his grapes need more sunshine to become sweet. The weather is dry so far - not a good climate for fungus. Müller thinks he can risk not using spray agents. „It‘s like a sports challenge,” he says. „How long can I hold my breath? Every day that I don‘t do anything, the pressure increases.“
The workers are now deploying baking powder, copper and sulphur on the neighbouring plots of the young Max von Kunow. He does not use synthetic fungicides. He sells his wines under the label fair‘ n green. Since he took over the estate in 2010, he has also been producing kosher wine and Feng Shui wine, which is harvested by moonlight. By doing this, he intends to open up new markets. Additionally: „I also studied wine marketing. The most important thing is to be talked about.“
The rainwater gutter of Müller‘s mansion is shrouded in red roses. Müller looks at it re exively
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