Page 94 - Dez2017
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Ein Kellermeister bei Müller wird nie ein Star sein wie so mancher in Australien. Er hat keine Möglichkeiten, zu glänzen – aber viele, zu versagen.
Proplantana meldet für den Rest der Woche geringeres Niederschlagrisiko als wetter.de.
Kunow hat seine Arbeiter noch nicht in den Scharzhofberg geschickt. Seine Trauben sind langsamer gereift, sie haben noch keine Botrytis entwickelt. Der Regen der nächsten Tage wird ihnen nichts anhaben.
Mittwoch. Der beißende Rauch von Herbstfeuern hängt in der Luft. Für die nächsten Tage hat Egon Müller sich dafür entschieden, das Risiko zu streuen: „Man erntet und versucht gleichzeitig, mit einem Teil der Trauben zu warten, dass es noch besser wird.“ Jetzt werden auch die wasserhaltigen Trauben gep ückt, aus denen später die Auslesen gemacht werden.
In einer Garage gegenüber dem Gutshaus laufen die Trauben durch die Edelstahlpresse Europress, aus der ein brauner Most rinnt, in den der Kellermeister jetzt einen Metallstab taucht. Er misst den Zuckergehalt, der für Süße, Aroma und Alkoholgehalt wichtig ist. Die Maßeinheit ist Oechsle. „Oechsle ist nicht alles, aber ohne Oechsle ist alles nichts“, sagt Stefan Fobian, 50. Das Gerät zeigt 108 Grad, ein guter Wert für die Ausleseweine. Mit seinem norddeutschen Akzent und seiner Silberbrille wirkt Fobian eher wie ein Uni-Dozent als wie ein Mensch, der mit der Natur arbeitet.
Gute Kellermeister sind begehrt. In durchschnittlichen Lagen, weil sie saure Trauben in Supermarktwein verwandeln können. In großen Lagen, weil auch aus perfekten Trauben leicht ein schlechter Wein werden kann. „Mein Vater hat immer gesagt, es ist unmöglich, aus hundertprozentigen Trauben einen hunderteinsprozentigen Wein zu machen“, sagt Müller, „aber es ist einfach, aus hundertprozentigen Trauben einen siebzigprozentigen Wein zu machen.“ Ein Kellermeister bei Müller wird nie ein Star sein wie so mancher in Australien. Er hat keine Möglichkeiten, zu glänzen – aber viele, zu versagen.
Seit Fobian dem verregneten Sommer 2000 einen guten Wein abpresste, vertraut Müller ihm
He calls up a website on his iPad. Wiltingen: Wednesday - 60 percent probability of rain, Thursday - 80 percent, Friday - 70 percent, Saturday - 20 percent. From Sunday: Now everything hangs in the balance: between a large vintage, with select wines and perhaps a Trockenbeerenauslese - and a vintage ruined by the rain.
„We have to choose“, says Müller, sitting in the warm kitchen, „and inevitably you will also make mistakes.“
At 5 in the afternoon, Max von Kunow bends over his computer in his of ce on the eastern side of the hill, which is also his sales room. „Wetter. de isn‘t helping,“ he says. He prefers to rely on the website ‚proplantana‘, from the „dear plant protection industry“. „I look at it three times a day during the harvest. It keeps me calm.“
Proplantana reports a lower precipitation risk for the rest of the week than wetter.de.
Kunow has not yet sent his workers to the Scharzhofberg. His grapes ripen more slowly, and they have not yet developed Botrytis. The rain over the next few days will not harm them.
Wednesday. The biting smoke of Autumn  res hangs in the air. For the next few days, Egon Müller has decided to spread the risk: „It‘s possible to harvest, and also to leave some of the grapes and wait to see if they can be even better“. Now the watery grapes are picked, which will later be used to make the vintage.
In a garage opposite the manor house, the grapes are run through the stainless steel press Europress, from which a brown juice  ows, into which the cellar master now dips a metal rod. It measures the sugar content, which is important for sweetness,  avour and alcohol content. The unit of measurement is the Oechsle. „The Oechsle isn‘t everything, but without the Oechsle it is nothing,“ says Stefan Fobian, 50. The device shows 108 degrees, a good reading for vintage wines. With his North German accent and silver glasses, Fobian seems more like a university lecturer than a person who works with nature.
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