Page 33 - Leinen los 05/2025
P. 33
Tod auf See Frachter lucona Jann M. Witt
Seefahrt ist gefährlich. Seit sich der erste Mensch auf das Meer wagte, haben Stürme und Stran- dungen, ebenso wie Kriege und Piraten, zahllose Todesopfer gefordert. Trotz GPS oder Radar ereignen sich auch heute noch Unglücke auf See. In dieser Serie erinnern wir an zehn maritime Katastrophen, die der neuen Ausstellung „Tod auf See” im Marine-Ehrenmal zugrunde liegen.
Wer von Verbrechen auf See hört, denkt zumeist an Piraten. Tat- sächlich ist die Seeräuberei fast so alt wie die Seefahrt selbst. Schon der grie- chische Historiker Thukydides berichtete im 5. Jahrhundert v. Chr. von Völkern, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Über- fall auf fremde Schiffe „verdienten“. Bis heute machen Seeräuber Jagd auf Frach- ter aller Art und Größe. Unzählige Han- delsschiffe und Menschen sind ihnen im Laufe der Zeit zum Opfer gefallen. Doch es gibt nicht nur diese Form der maritimen Kriminalität. Bereits im 19. Jahr- hundert wurden von skrupellosen Ree- dern seeuntüchtige, überladene Han- delsschiffe – sogenannte „coffin ships“ oder „schwimmende Särge“ – mit einer wertlosen, aber hochversicherten Ladung losgeschickt, damit diese auf Nimmerwie- dersehen verschwanden und die Schiffs- eigner einen satten Gewinn einstreichen konnten. Der Tod der Besatzung wurde dabei mitleidlos in Kauf genommen – ebenso wie bei der moderneren Variante, den Untergang auf hoher See durch eine an Bord versteckte Zeitbombe sicherzu- stellen.
Dass solch skrupellose Schurkereien keine Geschichten aus der Vergangenheit, blo- ßes Seemannsgarn oder nur den Hirnen fantasiebegabter Drehbuchschreiber ent- sprungene Märchen sind, zeigt der Fall der lucoNa, eines Stückgutfrachters, der im Zuge eines versuchten Versicherungs- betrugs am 23. Januar 1977 im Indischen Ozean durch eine Zeitbombe versenkt wurde, wobei sechs der zwölf Besatzungs- mitglieder starben.
Die lucoNa war am 15. Oktober 1966 unter dem Namen stEiNbErg bei der Büsumer Werft vom Stapel gelaufen. Auftragge- ber war die Hamburger Reederei August Bolten Wm. Miller’s Nachfolger. Die
1211,43 BRZ große, 75,40 m lange und 11,40 m breite stEiNbErg war ein Stückgut- frachter mit eigenem Ladegeschirr. Ein Achtzylinder-Viertaktdiesel mit 1400 PS (1030 kW) verlieh ihr eine Höchstgeschwin- digkeit von 13 kn (24 km/h).
Die stEiNbErg fuhr bis 1971 für die Reede- rei Bolten und wurde dann an die fran-
zösische Reederei Marseille-Fret ver- kauft, die das Schiff in NioloN umtaufte. Nur rund drei Jahre später erwarb die in Panama registrierte Gesellschaft „Lumin Compania Naviera“ den Stückgutfrachter, änderte den Namen zunächst in lucoNa, dann 1975 in atlaNtik progrEss und 1976 wiederum in lucoNa.
Geschichte
Teil 4
Der Frachter lucOnA wurde für sechs
Leinen los! 5/2025 33 unschuldige Seeleute zur tödlichen Falle
Foto: picture alliance/United Archives