Page 285 - Asian Art December 7 to 8 2018 Lempertz (German Text)
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Illustration aus Conrad Gessner,                  Kinrande-Schale, Jiajing-Ära, 1522-1566
            Historiae animalum Lib.V. qui est de Serpentium   Montierung süddeutsch, 1690-1611
            naturo, Zürich 1587                               © Metropolitan Museum, Inv. 79.2.1122



            Eine weiße kinrande-Schale mit frühbarocker       eine Meistermarke noch ein Beschauzeichen findet: Sie könnte
            Silber-Montierung                                 eine Auftragsarbeit gewesen sein, für die Bruchsilber verwertet
                                                              wurde, womit sie nicht der Kennzeichnungspflicht durch einen
            Für das golddekorierte Porzellan der Jiajing-Ära (1522-1566)   Beschaumeister unterlag, oder die Punzen befanden auf sich
            prägten japanische Sammler den Begriff „kinrande“ (Goldbro-  dem verlorengegangenen Teil des Standrings. Im Dreißigjähri-
            kat-Stil) aufgrund seiner Ähnlichkeit zu goldbestickter Seide.   gen Krieg (1618-1648) gingen zahlreiche Silbermontierungen
            Aus der Masse der Blauweißporzellane stach kinrande-Porzel-  an chinesischem Porzellan verloren, so dass heute nur noch
            lan, das auf rotem, grünem, blauen und sehr selten auf weißem   eine Handvoll in bedeutenden Museums- und Privatsammlun-
            Grund in Gold bemalt wurde, strahlend heraus. Japanische   gen vorhanden ist. Zu den prominentesten zählen die beiden
            Shogune, osmanische Sultane und europäische Fürsten des 16.   kinrande-Schalen des Grafen Manderscheid, eine davon heute
            Jahrhunderts bewunderten es gleichermaßen, was erhaltene   im Victoria & Albert Museum, die dieser 1583 von einer Reise
            Sammlungsbestände und Inventare bezeugen. In Dresden sind   in den Orient mitbrachte. Eine blauglasierte kinrande-Schale
            zwei Exemplare erhalten, die der toskanische Herzog Frances-  mit Augsburger Montierung befindet sich in der Sammlung
            co I. de Medici 1590 dem sächsischen Kurfürsten Christian I.   des Metropolitan Museums (Abb. 2) und ein polychrome Vari-
            schenkte und auch im Inventar der Münchner Residenz von   ante ehemals in der Sammlung Warren E. Cox.
            1598 ist kinrande verzeichnet („Schüßeln von rott/grüen ver-
            gulter arbeit“). Ein Paar weißgrundiger Schalen befindet sich in                   Daniel Suebsman
            der Sammlung von Sir Percival David im British Museum.
                                                              Literatur:
            Eine ganz besondere Aufwertung erfuhr ein chinesisches Por-  Sir Harry Garner, „Chinese Export Art in Schloss Ambras: A
            zellan im Frühbarock, wenn es durch eine Silbermontierung   lecture given by Sir Harry Garner on the occasion of the Se-
            dem Kunstkammergeschmack angepasst wurde. Besonders   cond presentation of the Hills Gold Medal“, in: Transactions of
            in Augsburg und Nürnberg hatten sich Goldschmiede auf   the Oriental Ceramic Society, London 1975
            das Einfassen von Exotika, wie Porzellan, Nautilusmuscheln,
            Elfenbein oder Straußeneiern spezialisiert, orientierten sich   Daniel F. Lunsingh Scheurleer, Chinesisches und japanisches
            bei den Ornamenten gerne an Entwürfen hugenottischer   Porzellan in europäischen Fassungen, Braunschweig 1980, S.
            Schmuckdesigner wie Daniel Mignot oder Corwinian Saur.   33, S. 193-194 und S. 204
            Während der Fuß der Montierung am vorliegenden Stück in   Suzanne G. Valenstein, A Handbook of Chinese Ceramics, New
            typisch augsburgischer Manier gestaltet ist, sind die Griffe in   York, 1989, S. 178
            Form geflügelter Drachen wohl einzigartig. Sie scheinen von
            Abbildungen im Schlangen-Buch des Schweizer Naturforschers   Percival David Foundation, Imperial Taste: Chinese Ceramics
            Conrad Gessner (1516-1565) inspiriert zu sein, das erstmal   from the Percival David Foundation, Los Angeles 1989, S. 67
            1587 in Zürich veröffentlicht wurde (Abb. 1). Es kann unter-
            schiedliche Gründe haben, dass sich auf der Montierung weder






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