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TYPISCH MANN, SCHON KLAR: FRAUEN REDEN ZU Ängstlichkeit und Verletzlichkeit). dersten, 2008). Untersuchungen zei
gen, dass solche Volumenunter
Würde man laut der Studie per Zufall
VIEL UND HORTEN SCHUHE, MÄN-
je einen Mann und eine Frau verglei
schiede bereits bei Neugeborenen
NER LIEBEN AUTOS UND HÖREN
chen, so ist sie in zwei Dritteln der
be stehen, also vermutlich genetisch
NIE ZU. BEI SOLCHEN KLISCHEES
TYPISCH FRAU – KÖNNTE MAN JA WIRKLICH ANNEH- Fälle ängstlicher bzw. verletzlicher, bedingt sind (Hüppi et al., 1998).
ABER ACHTUNG: EINEN GLOBALEN
aber auch mitfühlender bzw. altruis
MEN, DASS WIR VON VERSCHIEDE-
tischer als er. Zum Vergleich: Wären
ZWI-
NEN PLANETEN STAMMEN (EVATT,
INTELLIGENZUNTERSCHIED
2017).
die Merkmale gleich verteilt, lägen
ES DESHALB NICHT (HILBIG, 2000).
die Chancen naturgemäß bei 50:50. SCHEN DEN GESCHLECHTERN GIBT
In vielen Köpfen – meiner nicht aus Man kann also festhalten, dass es
ODER WAS?! geschlossen – finden sich wohl noch wissenschaftlich belegte charakterli
immer solche oder ähnliche Ge che Unterschiede zwischen den Ge Gehirnstruktur
schlechterstereotype (Def.: G. beste schlechtern gibt – jedoch nicht bei
hen aus Attributen, die „der“ Mann jeder Eigenschaft und auch nicht bei Auch postulierte ein internationales
oder „die“ Frau haben oder nicht ha allen Personen. Team von Neurowissenschaftlern
ben soll, je nach herrschendem Leit (Joel et al. 2015), dass Gehirne nicht
bild von Männlichkeit oder Weib lich typisch männlich oder weiblich sind,
keit; Dorsch Lexikon der Psycho Angeboren oder erlernt? und es i. d. R. wenig Sinn ergibt,
logie). ein Gehirn anhand derartiger anato
Sind Frauen aber nun tendenziell mischer Auffälligkeiten zu katego
Doch abseits von festgefahrenen, ba fürsorglicher, aber auch emotiona ri sieren. Sie untersuchten von gut
nal klingenden Annahmen zu „ty ler, weil sie Dank ihrer zwei XChro 1400 Personen die Hirnregionen mit
pisch Mann – typisch Frau“ stellt man mosomen entsprechende Hormone den größten geschlechtsspezifischen
sich in der psychologischen For ausschütten und mit dafür vorgese Unterschieden. Doch auch dort fan
schung immer wieder Fragen wie: henen Gehirnen auf die Welt kom den die Forscher noch starke Über
„Gibt es tatsächlich nachweisbare men? Oder weil sie beim Spielen mit schneidungen zwischen den Ge
Unterschiede zwischen den Ge der geschenkten Puppe und beim schlechtern. Nur sechs Prozent der
schlechtern und wenn ja, warum?“ Modelllernen am Vorbild „Mama“ Gehirne zeigten allein typisch weibli
schon von klein auf entsprechen che oder männliche Strukturen. DIE
de Verhaltensweisen erlernen? Und ÜBERWIEGENDE MEHRHEIT DER
Studien entwickeln Männer aufgrund ihres UNTERSUCHTEN GEHIRNE WIES
YChromosoms von Geburt an neuro EIN INDIVIDUELLES „MOSAIK“ AUS
Unter der Vielzahl an Studien und nale Strukturen und Hormonlevel, MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN
Theorien aus diesem Gebiet, können welche sie durchschnittlich gelasse MERKMALEN AUF.
hier leider nur einige wenige darge ner, aber auch weniger kooperativ
stellt werden. Bei einer besonders machen? Oder sind auch hier die
groß angelegten Untersuchung (Ka Lernerfahrungen entscheidend, die Bedeutung von Hormonen
jonius & Johnson, 2018) wurden an in Kinderzimmern bei spielerischen
hand der Selbstauskünfte von mehr Plastikschwertkämpfen und tapfe Und was hat es nun mit den Bo
als 320 000 Menschen die 30 Facet ren Indianersprüchen im Umgang mit tenstoffen auf sich? Mann und Frau
ten des in der Psychologie bekannten Schmerzen und Tränen gemacht produzieren im Durchschnitt ent
FünfFaktorenModells der Persön werden? WIE SO OFT IN DER PSY- sprechend ihres genetisch fest
lichkeit (Costa & McCrae, 1987) er CHOLOGISCHEN FORSCHUNG ER- ge leg ten Geschlechts „männertypi
fasst. Bei 13 der Merkmale fanden GIBT SICH ALSO AUCH HIER DIE sche“ Hormone wie Testosteron und
die Psychologen zumindest kleine KLASSISCHE ANLAGE-UMWELT- „frau en typische“ wie Östrogen und
Abweichungen zwischen den Ge DIS KUSSION. Viele gehen davon aus, Progesteron in unterschiedlichen
schlechtern, beachtlich groß waren dass sich geschlechtstypische Be Kon zentrationen. Der Hormonspiegel
diese jedoch nur bei zwei der überge sonderheiten in den Strukturen des be einflusst u. a. wie sensibel und
ordneten Persönlichkeitsdimensio Denkorgans widerspiegeln. Tatsäch empfindungsstark wir sind, was ein
nen: Verträglichkeit (Eigenschaften lich sind Männergehirne entspre Experiment zeigt (Goldstein, 2010).
wie Altruismus und Mitgefühl) und chend der Körpergröße im Schnitt Forscher zeigten Probanden diverse
„Zwilling“ Neurotizismus (Eigenschaften wie größer und schwerer (DeVries & Sö Bilder – amüsante, furchteinflößende,
16 Autorin: Christina Lommer, M.sc. Psychologie, Psychosomatik 2020 / Ausgabe 34 2020 / Ausgabe 34 17