Page 17 - engelthaler-rundschau-34-2020
P. 17

TYPISCH MANN,    SCHON  KLAR:  FRAUEN  REDEN  ZU   Ängstlichkeit  und  Verletzlichkeit).   dersten, 2008). Untersuchungen zei ­
                                                                               gen,  dass  solche  Volumenunter­
                                             Würde man laut der Studie per Zufall
           VIEL  UND  HORTEN  SCHUHE,  MÄN-
                                             je einen Mann und eine Frau verglei­
                                                                               schiede  bereits  bei  Neugeborenen
           NER  LIEBEN  AUTOS  UND  HÖREN
                                             chen,  so  ist  sie  in  zwei  Dritteln  der
                                                                               be stehen, also vermutlich genetisch
           NIE  ZU.  BEI  SOLCHEN  KLISCHEES
 TYPISCH FRAU –     KÖNNTE MAN JA WIRKLICH ANNEH-  Fälle  ängstlicher  bzw.  verletzlicher,   bedingt  sind  (Hüppi  et  al.,  1998).
                                                                               ABER ACHTUNG: EINEN GLOBALEN
                                             aber auch mitfühlender bzw. altruis­
           MEN, DASS WIR VON VERSCHIEDE-
                                             tischer als er. Zum Vergleich: Wären
                                                                                                          ZWI-
           NEN  PLANETEN  STAMMEN  (EVATT,
                                                                               INTELLIGENZUNTERSCHIED
           2017).
                                             die  Merkmale  gleich  verteilt,  lägen
                                                                               ES DESHALB NICHT (HILBIG, 2000).
                                             die  Chancen  naturgemäß  bei  50:50.   SCHEN DEN GESCHLECHTERN GIBT
           In vielen Köpfen – meiner nicht aus­  Man  kann  also  festhalten,  dass  es
 ODER WAS?!  geschlossen – finden sich wohl noch   wissenschaftlich belegte charakterli­
           immer  solche  oder  ähnliche  Ge­  che Unterschiede zwischen den Ge­  Gehirnstruktur
           schlechterstereotype (Def.: G. beste­  schlechtern  gibt  –  jedoch  nicht  bei
           hen  aus  Attributen,  die  „der“  Mann   jeder Eigenschaft und auch nicht bei   Auch  postulierte  ein  internationales
           oder „die“ Frau haben oder nicht ha ­   allen Personen.             Team  von  Neurowissenschaftlern
           ben soll, je nach herrschendem Leit­                                (Joel et al. 2015), dass Gehirne nicht

           bild von Männlichkeit oder Weib lich ­                              typisch männlich oder weiblich sind,
           keit;  Dorsch  Lexikon  der  Psycho ­   Angeboren oder erlernt?     und  es  i. d. R.  wenig  Sinn  ergibt,
           logie).                                                             ein Gehirn anhand derartiger anato­
                                             Sind  Frauen  aber  nun  tendenziell    mischer  Auffälligkeiten  zu  katego ­
           Doch abseits von festgefahrenen, ba­  fürsorglicher,  aber  auch  emotiona­  ri sieren.  Sie  untersuchten  von  gut
           nal  klingenden  Annahmen  zu  „ty­  ler, weil sie Dank ihrer zwei X­Chro­  1400 Personen die Hirnregionen mit
           pisch Mann – typisch Frau“ stellt man   mosomen  entsprechende  Hormone   den größten geschlechtsspezifischen
           sich  in  der  psychologischen  For­  ausschütten  und  mit  dafür  vorgese­  Unterschieden.  Doch  auch  dort  fan ­
           schung  immer  wieder  Fragen  wie:   henen  Gehirnen  auf  die  Welt  kom­    den die Forscher noch starke Über­
           „Gibt  es  tatsächlich  nachweisbare   men? Oder weil sie beim Spielen mit   schneidungen  zwischen  den  Ge­
           Unterschiede  zwischen  den  Ge­  der  geschenkten  Puppe  und  beim   schlechtern.  Nur  sechs  Prozent  der
           schlechtern und wenn ja, warum?“  Modelllernen  am  Vorbild  „Mama“   Gehirne zeigten allein typisch weibli­
                                             schon  von  klein  auf  entsprechen ­   che oder männliche Strukturen. DIE
                                             de  Verhaltensweisen  erlernen?  Und     ÜBERWIEGENDE  MEHRHEIT  DER
           Studien                           entwickeln  Männer  aufgrund  ihres    UNTERSUCHTEN  GEHIRNE  WIES
                                             Y­Chromosoms von Geburt an neuro­  EIN  INDIVIDUELLES  „MOSAIK“  AUS
           Unter  der  Vielzahl  an  Studien  und   nale  Strukturen  und  Hormonlevel,   MÄNNLICHEN  UND  WEIBLICHEN
           Theorien aus diesem Gebiet, können   welche sie durchschnittlich gelasse­  MERKMALEN AUF.
           hier leider nur einige wenige darge­  ner,  aber  auch  weniger  kooperativ
           stellt  werden.  Bei  einer  besonders   machen?  Oder  sind  auch  hier  die
           groß  angelegten  Untersuchung  (Ka­  Lernerfahrungen  entscheidend,  die   Bedeutung von Hormonen
           jonius & Johnson, 2018) wurden an­  in  Kinderzimmern  bei  spielerischen
           hand  der  Selbstauskünfte  von  mehr   Plastikschwertkämpfen  und  tapfe ­  Und  was  hat  es  nun  mit  den  Bo­
           als 320 000 Menschen die 30 Facet ­   ren Indianersprüchen im Umgang mit   tenstoffen  auf  sich?  Mann  und  Frau
           ten des in der Psychologie bekannten   Schmerzen  und  Tränen  gemacht   produzieren  im  Durchschnitt  ent­
           Fünf­Faktoren­Modells  der  Persön­  werden?  WIE  SO  OFT  IN  DER  PSY-  sprechend  ihres  genetisch  fest ­
           lichkeit  (Costa  &  McCrae,  1987)  er­  CHOLOGISCHEN  FORSCHUNG  ER-  ge leg ten  Geschlechts  „männertypi­
           fasst.  Bei  13  der  Merkmale  fanden   GIBT  SICH  ALSO  AUCH  HIER  DIE   sche“ Hormone wie Testosteron und
           die  Psychologen  zumindest  kleine   KLASSISCHE  ANLAGE-UMWELT-    „frau en typische“  wie  Östrogen  und
           Abweichungen  zwischen  den  Ge­  DIS KUSSION. Viele gehen davon aus,   Progesteron  in  unterschiedlichen
           schlechtern,  beachtlich  groß  waren   dass  sich  geschlechtstypische  Be­  Kon  zentrationen. Der Hormonspiegel
           diese jedoch nur bei zwei der überge­  sonderheiten  in  den  Strukturen  des   be einflusst  u. a.  wie  sensibel  und
           ordneten  Persönlichkeitsdimensio­  Denkorgans widerspiegeln. Tatsäch­  empfindungsstark  wir  sind,  was  ein
           nen:  Verträglichkeit  (Eigenschaften   lich  sind  Männergehirne  entspre­  Experiment  zeigt  (Goldstein,  2010).
           wie  Altruismus  und  Mitgefühl)  und   chend  der  Körpergröße  im  Schnitt   Forscher  zeigten  Probanden  diverse
 „Zwilling“   Neurotizismus  (Eigenschaften  wie   größer und schwerer (DeVries & Sö­  Bilder – amüsante, furchteinflößende,





 16  Autorin: Christina Lommer, M.sc. Psychologie, Psychosomatik  2020 / Ausgabe 34  2020 / Ausgabe 34            17
   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22