Page 7 - Chronik der SPD Kaufungen
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„Niederkaufungen. 25. Jan. Eine glänzend besuchte Versammlung tagte daher, in der Gen.
Wittrock, der Kandidat zur preußischen Nationalversammlung über deren Aufgaben sprach.
Der Beifall der Hörer war groß und alle gaben das feste Versprechen, am morgigen Tage für
eine noch größere Stimmenzahl als am 19. Januar zu sorgen.“
Diese Wahl. als Preußenwohl bezeichnet, war die
Stimmabgabe zur verfassungsgebenden preußischen
Landesversammlung am 26. Januar 1919. Christian Wit-
trock [Privatsekretär) aus Kassel kandidierte auf dem
Wahlvorschlag Gräf (Arbeitersekretär. Frankfurt/M.) für
die SPD. Der Wahlkampf wurde mit harten Bandagen
und oftmals unwahren Argumenten und Behauptungen
gegen die Sozialdemokratie geführt die sich ober zu
wehren wusste und volle Säle bei ihren Wahlversamm-
lungen hatte.
Dazu das Volksblatt ebenfalls in der Ausgabe am 25. Januar 1919:
„DER LETZTE APPELL ZUR PREUSSENWAHL ....Riesige Massenversammlungen sah Cassel
bisher in der Stadthalle, die stärkste bei Scheidemanns Anwesenheit und trotzdem ist die
Ermüdung noch nicht besonders groß....zum letzten Appell für die Preußenwahl die am
Sonntag den Schlussstrich hinter das Todesurteil vor das alte junkerliche Preußen setzen
muß, dass die Revolution in den Novembertagen ausgefertigt hat... Die Preußenwahl muß
ein Ende machen mit der Herrlichkeit der Junker und Schlafbarone für alle Zeiten! Aus den
Wahlurnen muß ein Preußen entstehen. dass in Deutschland vorangeht in demokratischer
Hinsicht - nicht mehr als das Musterland der stockfinsteren Reaktion.“
Die Jahre ab 1918 waren in Deutschland, und so auch in Niederkaufungen, eine schlimme
Zeit, wie auch die Augen- und Erlebenszeugen Goßmann und Binzel berichten. Die meisten
Menschen waren arbeitslos. Die Arbeitslosenunterstützung betrug für ein Ehepaar mit 2 Kin-
dern 18.75 Reichsmark pro Woche . Ein Pfund Speck kostete damals bereits 1 RM, 1 Pfund
Butter 80 Pfennige, wusste Katharina Goßmann noch.
Dies sind Werte von einem bestimmten Zeitpunkt, denn die Preise stiegen im Laufe der Jahre
in astronomische Höhen und die Unterstützung wurde weiter abgesenkt. Im Januar 1933 er-
hielten 208 Familien in Niederkaufungen Unterstützung. Im Dorf lebten überwiegend Arbei-
ter und Bauern. Viele der sogenannten „geringen Liehde“ hoben sich Vieh gehalten.
Die Bauern bestellten den Familien die Ländereien, dafür mussten sie bei ihm „das Jahr
über“ arbeiten. Man kannte sich noch im Dorf untereinander und half sich gegenseitig. Die
bebaute Ortslage reichte von der Losse (Steinweg) bis zur Leipziger Straße. darüber hinaus gab
es nur noch ein paar Häuser an der Bahnhofstraße und am Haferbach. 1925 hatte Niederkau-
fungen 1671 Einwohner.