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KRITIK AN DER SCHWEIZ
         RUBRIK


          WER ES WAGT…












         Schon 2019 nahm der chinesische Künstler, Aktivist und Menschenrechtler Ai Weiwei, die
         Schweiz ins Visier und warf ihr vor, gegen über China ihre Werte wirtschaftlichen Interes-

         sen zu opfern, als sie ihre Unterstützung bei Chinas Seidenstrasse-Projekt zugesagt habe.
         Und nun folgte in einem langen Interview mit 20-Minuten die nächste frontale Konfron-
         tation, die viele Menschen in unserem Land verunsichert und teilweise sehr verärgert
         hat.

                                                                   > Von Marud Birnelli


          2019


          Bei den seit über einem halben Jahr anhaltenden Demons-  das ist erbärmlich». Während die Schweiz immer in Frieden
          trationen in Hongkong gehe es um vieles, sagte Ai Weiwei   gelebt habe, sei China nie friedlich gewesen, sondern habe
          damals, 2019, im Interview mit dem «Tages-Anzeiger». Den   sich – zumindest offiziell – immer auf die Ideologie von Marx
          jungen Leuten, die sich gegen den wachsenden Einfluss von   und Lenin berufen. «Die Schweizer und der Westen generell
          China wehren, gehe es nicht nur um bezahlbare Wohnun-  verhalten sich im Umgang mit China sehr naiv – wie Kin-
          gen oder gute Jobs, sondern darum, «zentrale Werte zu be-  dergärtler», fand Weiwei. Wer mit so einem Regime zu tun
          wahren», sagt der bekannte chinesische Künstler und Re-  habe, solle vorsichtig vorgehen. Was die Zukunft Hongkongs
          gimekritiker. «Sie wollen die Freiheit schützen.» Dass die   angehe, war der Künstler jedoch zuversichtlich: Die Sonder-
          Schweiz damals eine Vereinbarung für die neue Seidenstras-  verwaltungszone zähle gleichzeitig zu China und zum Westen.
          se, Chinas umstrittenes gigantisches Infrastrukturprojekt,   «Damit trägt Hongkong eine Art Schutzweste, und die müsste
          unterzeichnet habe, sah Weiwei kritisch: «Die Schweiz hat   China zuerst runterreissen. Doch da hat das Regime grosse
          da einen grossen Fehler gemacht.» Statt auf die Respektie-  Bedenken.» - Inzwischen hat China diese «Schutzweste» rasch
          rung der Menschenrechte zu beharren, hätte sie diese ein-  und Kompromisslos zerstört…
          fach «geopfert» – «und das nur aus finanziellen Gründen,





































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