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Die DNA-Analyse der Zukunft Es gibt immer wieder Fälle in der
Schweiz, bei denen DNA am Tatort gefunden wird und die
Strafverfolgungsbehörden trotzdem nicht weiterkommen.
Dank einer neuen wissenschaftlichen Methode liesse sich
aus einer DNASpur mehr als nur das Profil herauslesen;
mehr als bisher rechtlich zulässig ist. Die Schweizer Politik
will, dass Strafverfolger die sogenannte Phänotypisierung
künftig nutzen können.
Hat der Täter grüne
oder blaue Augen?
Emmen, Schweiz, 2015: Ein Mann reisst Viele Menschen verdächtigen rasch die lesen werden. Der Luzerner Nationalrat
am 21. Juli bei Emmen an der Reuss eine Bewohner einer Asylunterkunft, die sich Albert Vitali reicht nach der Vergewaltigung
damals 26-jährige Frau von ihrem Velo ganz in der Nähe befindet. Es kommt zu in Emmen eine Motion ein, die von Parla-
und vergewaltigt sie. Das Opfer erleidet Übergriffen auf Asylbewerber. Der Staats- ment und Bundesrat angenommen wird.
schwere Verletzungen und ist seither anwalt ordnet die Phänotypisierung an.
gelähmt. Es werden DNA-Spuren des Mit dieser Methode werden aus einer Die Gene verraten das Aussehen
mutmasslichen Täters sichergestellt. Der DNA-Spur äusserliche Merkmale des Die Bestimmung des Geschlechts ist
Abgleich in den Datenbanken führt zu Spurenlegers herausgelesen. Der Test relativ einfach. Die Anwesenheit resp.
keinem Treffer. Auch eine Verwandtenre- zeigt, dass die Person ein weisser, europäi- Abwesenheit des Y-Chromosoms gibt
cherche bleibt ohne Erfolg. Die Luzerner scher Mann sein muss. In Kombination mit den Beweis: die DNA gehört einem Mann
Strafverfolgungsbehörden bieten 371 weiteren Hinweisen kommt es zur Verhaf- resp. einer Frau. Das genetische Zusam-
Männer zu einem DNA-Massentest auf. tung des Täters. Es ist ein holländischer menspiel für eine Haar- oder Augenfarbe
Alle Bemühungen der Behörden, den Täter Bauer, der ganz in der Nähe des Tatorts ist hingegen komplexer. Daher lassen
zu finden, bleiben bisher ohne Erfolg. lebt. Nach diesem Fall verabschiedet die sich bestimmte äusserliche Merkmale
Der Täter ist immer noch nicht gefun- Niederlande ein Gesetz und erlaubt die nur mit einer mehr oder weniger hohen
den. Der Fall ungelöst. Im Januar 2018 Methode explizit – als Pionierstaat. Wahrscheinlichkeit bestimmen.
verkündet die Staatsanwaltschaft, dass Das Schweizer Parlament möchte, dass Wenn die Polizei und die Staatsanwalt-
alle Ermittlungsansätze ausgeschöpft auch die Schweizer Strafverfolger die schaft in Zukunft dank Phänotypisierung
sind und der Fall vorerst sistiert wird. Methode nutzen können. Das geltende wüssten, welche äusserlichen Merkmale
Nordfriesland, Niederlande, 1999: Die Gesetz bietet dafür keine Grundlage. Aus auf eine gesuchte Person mit grosser
damals 16-jährige Holländerin Marianne dem DNA-Material, das an einem Tatort Wahrscheinlichkeit zutreffen, könnte
Vaatstra kommt nach einem Fest nicht gefunden wird, darf in der Schweiz als sie dadurch ihre Ermittlungsarbeit und
nach Hause. Am nächsten Tag wird sie äusserlich sichtbares Merkmal einzig das insbesondere die Fahndung fokussieren.
gefunden. Vergewaltigt und ermordet. Geschlecht des Spurenlegers herausge- Doch was kann Phänotypisierung wirklich?
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