Page 11 - KfW Stories 01-22
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  Seit dem Ukraine-Krieg spielt das Flüssigerdgas LNG eine Schlüssel- rolle für Deutschlands Energie- sicherheit. Mittelfristig könnte
der Import russisches Pipelinegas ersetzen. Nun beteiligt sich die KfW im Auftrag des Bundes am Bau
des ersten deutschen LNG-Terminals in Brunsbüttel.
besteht zu rund 98 Prozent aus Methan, ist farblos, nicht giftig und entsteht, wenn Erdgas von anderen Stoffen bereinigt und auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt wird. Flüssig nimmt der Energieträger nur ein Sechshundertstel seines gasförmigen Volu- mens ein und kann so in großen Mengen auch über weite Strecken transportiert werden. Man muss also keine langen Pipelines dafür bauen und bindet sich nicht langfristig an nur einen Lieferanten: Das sind die großen Vorteile von LNG gegenüber Pipelinegas.
Nachteilig ist, dass die Herstellung bis zu 25 Pro- zent des eigenen Heizwerts verbraucht. Lange Trans- porte per Schiff sind teuer und verursachen zusätz- liche Emissionen. Stammt das Flüssiggas aus den USA oder Australien, neben Katar zwei der weltweit größten LNG-Exporteure, wird es häufig per Fracking gewonnen – ein Verfahren, bei dem Methan in die Atmosphäre entweicht und das auch wegen ande- rer unberechenbarer Langzeitfolgen für die Umwelt umstritten ist. Obendrein kommt es innerhalb der gesamten LNG-Prozesskette zu weiteren Methanver- lusten. Und Methan ist als Treibhausgas 25-mal so klimawirksam wie CO2.
Warum Deutschland jetzt LNG-Terminals baut
Unter Klimaschutzgesichtspunkten ist es deshalb fragwürdig, wenn wir russisches Pipelinegas zukünf- tig durch LNG-Importe ersetzen. Einigkeit herrscht aber weitgehend darüber, dass unter allen fossilen Energieträgern Erdgas am wenigsten klimaschäd- lich ist, egal ob flüssig oder gasförmig. Schon vor dem Ukraine-Krieg stand fest, dass Deutschland auf Erdgas als Brückentechnologie für den Übergang zu
TEXT Olivia Kullik
ILLUSTRATION Magdalena Michalka
Pipeline oder Schiff? Das war bis vor Kurzem keine Frage. Ein Wechsel von Pipelinegas zu Flüssigerdgas, das mit riesigen Tankschiffen
importiert werden muss, kam für die Bundesregierung nicht in Betracht. In einer Kurzstudie zog das Umwelt- bundesamt 2019 das Fazit: „Aus klimapolitischer Sicht und unter Energieeffizienzaspekten ist ein verstärkter Einsatz von LNG insbesondere im Vergleich zu per Pipeline transportiertem Gas nicht begründbar.“ So ist es nur logisch, dass Deutschland bislang keine Importterminals für Flüssigerdgas besitzt – anders als die meisten EU-Küstenstaaten, wie unsere Karte auf Seite 12 zeigt.
Doch durch Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Sachlage schlagartig geändert. Zu diesem Zeitpunkt hat Deutschland 55 Prozent seines Bedarfs mit russischem Pipelinegas gedeckt – eine Abhängigkeit, die erpressbar macht und Berlin zum Handeln zwingt.
Gut zwei Monate nach Kriegsbeginn verkündet Wirtschaftsminister Robert Habeck, dass der Anteil auf 35 Prozent gesenkt werden konnte. So schnell wie möglich will man sich ganz vom russischen Gastropf befreien. Weil die Regierung am Kohle- und Atom- ausstieg festhält und selbst eine beschleunigte Ener- giewende die Abhängigkeit von Russland kurzfristig nicht beenden kann, setzt Berlin auf den Aufbau einer Infrastruktur für LNG.
Das Für und Wider der Technologie
Verflüssigtes Erdgas läuft international unter der eng- lischen Abkürzung LNG für Liquified Natural Gas. Es
ÜBERGANGSLÖSUNG
FSRUs (Floating Stor- age and Regasification Units) sind schwim- mende LNG-Terminals. Sie nehmen Flüssig- gas von Tankern entgegen, speichern und regasifizieren es. Dann wird es ins Gasnetz eingespeist.
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