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                 an Theorien einzugehen, die es dazu gibt. Im Grundsatz gehen die meisten davon aus, dass die Ich-Entwicklung in Phasen verläuft. Ich habe die – empirisch gut belegten – Ich-Pha- sen vereinfachend in die Ego-, die Wir-, die Richtig-, die Effektiv- und die Flexibel-Phase zusammengefasst. Korrekter ist es eigentlich, von Modi statt von Phasen zu sprechen, da Menschen auch situativ zwischen den Ich- Zuständen hin und her wechseln können und die Übergänge fließend sind. Forschungs- ergebnisse deuten darauf hin, dass es in jeder Phase oder jedem Modus einen entscheiden- den Filter-Faktor gibt, der bestimmt, wie der Mensch Informationen aufnimmt, denkt und handelt.
Ich-Modus
Im Ich-Modus – einer frühen Entwicklungs- phase, in der manche Menschen jedoch bis zum Erwachsenenalter hängen bleiben – ist man vor allem eigennützig orientiert. Man kreist um seine Bedürfnisse und ist dement- sprechend darauf gepolt, sich durchzusetzen.
Wir-Modus
Im Wir-Modus strebt der Mensch stark nach Zugehörigkeit durch das „richtige“ – das heißt in dem Fall, den Konventionen der Ge- meinschaft angepasste – Verhalten. Dass sich Menschen im Wir-Modus primär als Teil der Gemeinschaft sehen, bestimmt also auch, was sie wahrnehmen, wie sie es interpretieren und für sich einordnen.
Richtig-Modus
Im Richtig-Modus sind Menschen beson- ders stark daran orientiert, wie etwas „rich- tig“ geht und wie man gewünschte Ziele er- reicht. Der zugrunde liegende Grundsatz lautet: „Gut ist, was richtig ist.“ Eine Grund- annahme, der den Denker im Richtig-Mo- dus anleitet, ist demzufolge auch die, dass es „Wahrheit“ geben muss. Der Richtig-Denker denkt folglich stark in den Kategorien „wahr und unwahr“, „falsch und richtig“. Das lässt ihn nach Orientierung suchen: „Welche fünf Schritte muss ich gehen, um nichts falsch zu machen?“; „Wo genau kann ich Anleitun- gen dazu finden?“; „Auf welche Best Practi- ce kann ich mich berufen?“; „Welche Fehler darf ich auf keinen Fall machen?“ Und: „Was sind die drei wichtigsten Takeaways?“ Rich- tig-Denker glauben stark an ihre Kompeten- zen und Stärken – und sie meinen, auch an- dere durch diese Brille bewerten zu können.
Der wissensorientierte Experte, der es in der deutschen Arbeitskultur mit angemessenem Fleiß und ordentlicher Zielorientierung oft zur Führungskraft bringt, ist übrigens ein Paradeexemplar des Richtig-Denkers, des- sen Denken wie eingerahmt ist: Was aufge- nommen wird, orientiert sich an dem, was bekannt ist. Verstehen wir Agilität als Beweg- lichkeit, wird klar: Dieses Mindset kann kein agiles Denken und Handeln hervorbringen. Denn Richtig-Denker suchen auch im agilen Werkzeugkoffer eine Anleitung für ihr Tun – und nicht den Rahmen für Experimente. Wer
aber nach Rezepten sucht, kann keine neuen Ideen entwickeln. Er kann neues Verhalten nur schwer aus sich selbst produzieren, zu- mindest braucht er dafür viel Förderung und Anregung. Erst vom Effektiv-Modus an wird es leichter, aus sich selbst zu schöpfen.
Agil zu denken, bedeutet, sich selbst als Prozess zu begreifen
Effektiv-Modus
Im Effektiv-Modus verfolgt der Mensch – im Kontext der Gesellschaft – erstmals eigene Maßstäbe. Er strebt nach Selbstoptimierung und ist eigenbestimmt, in dem Sinne, dass er selbst definierte Werte, Vorstellungen und Ziele hat. Und er beginnt womöglich auch, sich für Perspektiven anderer zu öffnen. Aber: Menschen im Effektiv-Modus neigen oft auch dazu, ihre persönlichen Maßstäbe für überlegen zu halten. Und genau hier lie- gen ihre Grenzen.
Flexibel-Modus
Im Flexibel-Modus dagegen sind Menschen so weit, dass sie ganz selbstverständlich ein Bewusstsein dafür haben, wie sehr ihre eige- ne Wahrnehmung ihre Weltsicht prägt. Sie können eine Vielzahl von Perspektiven ein- nehmen und Mehrdeutigkeiten bestens tole- rieren. Sie haben großen Respekt vor der Au- tonomie anderer Menschen, dabei aber auch ihre eigene Haltung entwickelt und sich von Konventionen gelöst. In diesem Denkmodus sind Menschen dazu fähig, sich ständig zu ak- tualisieren, Erfahrungen laufend neu einzu- ordnen. Und so sehen sie sich auch selbst: als „Prozess“ und nicht etwa als „Zielzustand“.
Fixed and Growth
Mindset
Der Stanford-Professorin Carol Dweck zu- folge macht genau das – sich selbst als dyna- misch und entwicklungsfähig zu sehen oder als statisch – den zentralen Unterschied im Entwicklungsstand des menschlichen Mind- sets aus. Menschen mit einem Fixed Mindset, wie Dweck es nennt, glauben, dass sie sind, wie sie sind – und daran auch nichts ändern können. Sie betrachten sich als sich selbst (oder einem System) ausgeliefert. Sie su- chen nach Stärken, die sie aus eigener Sicht „haben“, statt zu versuchen, Stärken, die sie haben möchten, zu entwickeln. Manche ma- chen auch einen Test nach dem anderen, in der Hoffnung, endlich ein festes Bild von sich zu erhalten.
  StartupRegional.de 01/2019 9
 Ratgeber
















































































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