Page 13 - STUD.jur 1/2021
P. 13

STUD.Jur.: Sie arbeiten als Vorsitzender und Legal Director bei der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF), die Sie 2015 auch mit initiiert haben. Woher kam Ihnen diese Idee?
Buermeyer: Vor ein paar Jahren habe ich ein Sabbatical genommen und ein Jahr in den USA studiert, um dort einen Master zu machen. Ich habe mich in dieser Zeit sehr intensiv damit beschäftigt, wie amerikanische Organisationen mit gerichtlicher Hilfe versuchen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und zu verteidigen. Und als ich dann zurück nach Deutschland gekommen bin, habe ich überlegt, wie wir das in Deutschland machen. Und dann ist mir sehr schnell aufgefallen, dass es das im Bürgerrechtsbereich außer bei privaten und spontanen Projekten auf nationaler Ebene nicht gab – jedenfalls nicht so systematisch wie bei der GFF. Also haben wir dann einen Verein gegründet und gesagt, wir bauen das jetzt selber auf.
STUD.Jur.: Warum braucht es besonders nicht-staatliche Organisationen wie die GFF, um sich für Freiheitsrechte von BürgerInnen einzusetzen?
Buermeyer: Weil es ja darum geht, den Staat zu kontrollieren. Der Staat ist gewissenmaßen „Täter“ in diesem Bereich, weil er viel zu oft Gesetze erlässt, die gegen Grundrechte verstoßen. Natürlich sind wir für die Verteidigung von Grundrechten letztlich auf staatliche Stellen angewiesen, wir brauchen ja insbesondere die Justiz, um Grundrechte zu verteidigen. Aber der Staat in Gestalt von Legislative und Exekutive ist in diesem Bereich leider sehr häufig Täter, so- dass wir dann vor Gerichte ziehen müssen, um das Problem möglichst wieder zu beheben.
STUD.Jur.: Mit welchen IT-rechtlichen Fragen beschäftigt sich die GFF gerade intensiv?
Buermeyer: Im Bereich der IT-Sicherheit sind „Staatstro- janer“ gerade ein wichtiges Thema, weil wir dazu gerade eine ganze Reihe von Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig haben, gegen verschiedene Polizeigesetze aber auch gegen Vorschriften in der Strafprozessordnung. Da geht es uns vor allem um den Schutz der Allgemeinheit. Denn das Problem ist ja: So ein Staatstrojaner muss irgend- wie rein in den Computer oder ins Handy, und dafür braucht es normalerweise eine Sicherheitslücke, also irgendeinen Fehler im System, den ein Staatstrojaner ausnutzen kann, um sich einzuschleichen. Und diese Sicherheitslücken können natürlich nicht nur legitim von Staatstrojanern ausgenutzt werden, wenn es zum Beispiel einen richter- lichen Beschluss gibt. Sie können auch von beliebigen HackerInnen genutzt werden. Diese Sicherheitslücken machen also Geräte auf der ganzen Welt unsicherer.
STUD.Jur.: Was fordert die GFF in diesem Fall konkret?
Buermeyer: Wir würden uns wünschen, dass jede bekannte Sicherheitslücke an die HerstellerInnen gemeldet wird, damit sie geschlossen werden kann. Das Problem ist aber: Weil man dadurch Staatstrojaner einsetzen kann, haben natür- lich viele Behörden ein Interesse daran, diese Lücken nicht zu schließen. Wir finden, es sollte keine Trojaner geben, damit es keinen Anreiz gibt, Sicherheitslücken quasi offen zu lassen. Sie sollten gemeldet werden, damit sie geschlos- sen werden können.
STUD.Jur.: Durch Corona bedingt läuft im Studium gerade Vieles digital ab: Vorlesungen und Seminare zum Beispiel über Anwendungen wie Zoom oder Webex. Haben Sie Tipps für Studierende, wie sie möglichst sicher im Hinblick auf Datenschutz durch das digitale Semester kommen?
Buermeyer: Wenn man Einfluss darauf hat, ist es auf jeden Fall immer gut, ein System der Uni zu nutzen, weil die Unis in Deutschland alle eingebunden sind in ein ziemlich dichtes Netz an Datenschutzkontrollen. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass die Uni-Systeme im Grundsatz datenschutz- rechtlich abgesichert sind, während das im Zweifel ein Problem ist, wenn es Systeme von Dritten sind.
STUD.Jur.: Wenn Jura-Studierende sich im Bereich IT-Recht spezialisieren möchten, was sollten sie dann am besten tun?
Buermeyer: Der wichtigste Tipp ist: Man sollte auf jeden Fall in irgendeiner Weise ein kleines bisschen programmieren können, um IT-Recht zu verstehen. Ansonsten ist IT-Recht eines der Rechtsgebiete, die sich am dynamischsten entwickeln, deswegen wäre es gut, wenn man auch in sozialen Medien fit ist. Brandaktuelle Diskussionen in IT- und Datenschutzrecht laufen eben sehr viel über Twitter. Deswegen wäre mein Tipp: Stellt euch eine Timeline mit anderen Menschen zusammen, die in dem Bereich unterwegs sind. Dadurch bekommt man schnell ein Gefühl für die „heißen“ Themen.
STUD.Jur.: Seit Ihrem Jurastudium haben Sie viele berufliche Stationen hinter sich gebracht. Wie haben Sie sich damals Ihr Berufsleben vorgestellt und wie unterscheidet sich das von dem, was Sie heute machen?
Buermeyer: Ich hatte ursprünglich gedacht, dass ich einen klassischen, juristischen Beruf ergreife, zum Beispiel Straf- verteidiger oder Strafrichter. Jetzt habe ich mir ja im Grunde zwei Berufe selber aufgebaut: Einmal bin ich Litigator [also „Prozessanwalt“, Anm. der. Red.] in Sachen Freiheitsrechte, ich nenne das auch gerne augenzwinkernd „freedom fighter“ – und zum anderen bin ich juristischer Journalist. Mein Leben hat unglaublich davon profitiert, dass ich so viele unter- schiedliche Sachen gemacht habe. Und gerade das Jura- Studium ist dazu besonders geeignet, denn es trainiert das Denken und man kann damit viel machen. Deswegen mein Appell: Legt euch nicht zu früh fest, was ihr nach dem Stu- dium einmal machen wollt, bleibt hungrig und mutig und neugierig.
 von Leonie Krzistetzko und Marina Weidenhaupt
  Zur Person
Ulf Buermeyer ist deutscher Jurist und Podcaster. An Ulf Buermeyer studierte zunächst Jura und Psychologie an der Universität Osnabrück, in Leipzig und Rennes dann Jura, Ägyptologie und Politikwissenschaft. Sein Studium an der Columbia Law School in New York City schloss er mit einem Master of Laws ab. Seit 2016 moderiert Buer- meyer zusammen mit dem Journalisten Philip Banse den wöchentlichen Podcast „Lage der Nation“. Zudem arbei- tet er hauptamtlich als Vorsitzender und Legal Director bei der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF).
Nomos STUD.Jur. 1 | 2021 13
Gespräch
















































































   11   12   13   14   15