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          Die „Pieds de Cheval“          der rund hundert Jahre dauerte – bis er in
          („Pferdefüße“) sind Exem-      den 1970er Jahren ein jähes Ende fand. In-
          plare der Europäischen         nerhalb weniger Monate rottete ein Virus
          Austern, die aus den Zucht-    das Austernvorkommen an der bretoni-
          körben geflohen und in         schen Küste aus. „Wir standen vor dem
          Freiheit zu beachtlicher       Nichts“, erinnert sich Pierre, der damals im
          Größe herangewachsen           elterlichen Unternehmen arbeitete. „Die Ar-
          sind. Sie können ein           beit von Generationen war dahin.“ Doch die
          Gewicht bis zu 1,5 kg          Züchter gaben nicht auf und riefen das Pro-
          erreichen. Sie sind äußerst    jekt „Resurre“ ins Leben, inspiriert von   Das hübsche Städtchen Cancale zwischen St-Malo   und Mont St-Michel ist nicht nur wegen der Austern
          selten, heiß begehrt und       dem Wort „Resurrection“ (Auferstehung).   einen Ausflug wert.
          teuer. Wenn man Austern        Ein paar Männer machten sich stellver-
          in Deutschland kauft, zahlt    tretend für ihre Dörfer auf die Suche nach
          man um die drei Euro pro       einer Alternative – und wurden an der kana-
          Stück, auf dem Markt von       dischen Küste bei Vancouver fündig.   eine Plate ist viel seltener und deshalb min-
          Cancale gibt es sie – ganz                                          destens dreimal teurer.
          frisch – für ca. die Hälfte.   Hier wächst die Pazifische Felsenauster –
          Für einen „Pferde fuß“         größer, fleischiger und robuster als ihre   Pro  Jahr  produziert  Frankreich  zirka
          muss man fünf Euro             euro päische Schwester. „Sie stammte ur-  145 000 Tonnen Pazifische Austern und
          hinblättern.                   sprünglich aus Japan“, erzählt Pierre. „Aber   1500 bis 3000 Tonnen der Europäischen
                                         in  ihrer  neuen  Heimat  Kanada  gedieh    Austern. Damit ist Frankreich in Europa das
          Was steckt hinter dem Satz,    sie auch prächtig. Warum sollte es nicht   bedeutendste Herkunftsland für Austern.
          man solle in Monaten ohne      ebenso in der Bretagne funktionieren?“ In   Im globalen Vergleich spielt es mit einem
          „r“ keine Austern essen?       mehreren Frachtflugzeugen ließen die Fran-  Anteil von nur 2,5 Prozent am Weltmarkt
          Früher hing das mit der        zosen lebende Felsenaustern einfliegen,   dagegen eine untergeordnete Rolle.
          angemessenen Lagerung          brachten sie in ihre Austernparks und kulti-
          zusammen. Von Mai bis          vierten sie dort weiter.             Franzosen lieben Austern. Daher werden
          August waren die Tempe-                                             nur zehn Prozent exportiert, der Rest landet
          raturen zu hoch und Kühl-      Das Experiment glückt. Die „Huître creuse“   auf  heimischen  Tellern.  Besonders  im
          anlagen nicht vorhanden.       macht heute über 90 Prozent der gesamten     Dezember. „50 Prozent der Gesamtproduk-
          Wichtiger aber: Austern        Austernproduktion Frankreichs aus. „Sie ist   tion wird allein in diesem einen Monat ver-
          laichen in den Sommer-         asymmetrisch“, erklärt Edouard. „Die eine   zehrt“, sagt Edouard. „Weihnachten und
          monaten und verändern          Schalenhälfte ist bauchig, während die an-  Neujahr sind für meine Landsleute undenk-
          dabei ihr Fleisch und          dere Hälfte eher wie ein Deckel wirkt.“ Die   bar ohne Austern.“
          ihren Geschmack. Sie sind      einheimische Europäische Auster – „Huître
          zwar genießbar, schme-         plate“ – erkennt man sofort an ihrer runden,   Es ist aber auch der Monat, in dem die Züch-
          cken aber nicht so gut.        symmetrischen Form. Und am Preis, denn   ter besonders wachsam sein müssen. Denn




          Edouard erklärt die Austernzucht nicht nur Touristen aus aller Welt, sondern auch Schulklassen.
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