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                                                                                       Bücher & Filme





                                                                                                      berühmtesten Hotels
                                                                                                      am Platz erstochen
                                                                                                      aufgefunden. Kom-
                                                                                                      missar Dupin, ein-
                                                                                                      gefleischter Pariser
                                                                                                      und zwangsversetzt
                                                                                                      ans Ende der Welt,
                                                                                                      übernimmt den Fall
                                                                                          „Léon und   und stößt in der bre-
          Über drei Millionen Touristen besuchen jedes Jahr den Mont St-Michel und gehen durch   Louise“, Roman  tonischen Sommer-
          schmale Gassen und über steile Stufen hinauf zu Abtei.
                                                                                         von Alex Capus.  idylle auf ungeahnte
                                                                                          Die Geschichte  Abgründe ...
                                                                                         beginnt mit der  Goldmann Verlag,
          es daher genauso wichtig, den Massentou-  drängen sich gleichermaßen in der Abtei-  Begegnung der bei-  2013.
          rismus in den Griff zu bekommen wie den   kirche. „Wir signalisieren bewusst, dass   den jungen Leute im
          Inselcharakter wiederherzustellen.“  unsere Türen offen für jeden sind – auch   Ersten Weltkrieg in
                                              und vor allem während der Messe.“      der Normandie, doch
          Und wie geht es den Mönchen und Non-                                         dann trennt sie ein
          nen vom Mont St-Michel mit rund drei   Das Renaturierungsprojekt findet Pater Fa-   Fliegerangriff. Sie
          Millionen Touristen jährlich? Fühlen sie   bien-Marie sehr gelungen – mit einem kleinen     halten einander für
          sich in ihrem Ordensleben gestört? „Ganz   Wermutstropfen: „Seit Mont St-Michel nur   tot. Léon heiratet,
          im Gegenteil“, lächelt Pater Fabien-Marie   noch zu Fuß oder mit Shuttlebus erreichbar   Louise geht ihren
          und schüttelt dabei den Kopf. „Wir freuen   ist, kommen nur sehr wenige Leute zur   eigenen Weg – bis
          uns über den großen Andrang. Als Stadt-  Morgenandacht. Denn so früh fährt der Bus   sie sich 1928 zufällig
          orden, der wir eigentlich sind, möchten   noch nicht.“ Für die Schwestern und Brüder   in der Pariser Métro
          wir möglichst viele Menschen erreichen   ist das kein Problem, da sie eine Lizenz   wiederbegegnen. Ein
          und ihnen Gott näherbringen.“ Dass Tou-  haben, mit dem Auto bis auf den Kloster-  Paar, das gegen alle  Ferien des
          risten willkommen sind, spüren diese so-  berg zu fahren. „Ein Privileg, das nicht alle   Konventionen an  Monsieur
          fort. Pater Fabien-Marie lässt sich in den   Dorfbewohner genießen.“          seiner Liebe festhält  Hulot.
          Gassen außerhalb des Klosters gerne in                                        und ein eigensin-  Kultfilm aus den
          Gespräche verwickeln und beantwortet   So üben einige Einwohner auch herbe Kritik   niges, manchmal   frühen 1950er Jahren
          neugierige Fragen.                  an den Neuerungen, die ihnen nur Nachteile   unerhört komisches  von und mit Jacques
                                              bringen. „Mal schnell Besorgungen auf    Doppelleben führt.  Tati. Monsieur Hulot
          Der Orden betreibt ein Gästehaus auf der   dem Festland zu machen“, klagt ein Souve-  dtv, 2012.  macht in der Bre-
          Klosterinsel – „kein Hotel“, wie Pater Fa-  nirverkäufer, „das ist viel zeitaufwendiger     tagne Strandurlaub.
          bien-Marie betont. „Unsere Gäste müssen   geworden.“ Und der Restaurantbesitzer             Er lässt kein Fett-
          nicht unbedingt praktizierende Katholiken   von nebenan schimpft: „Seit die Anreise         näpfchen aus und
          sein, aber sie sollten ein spirituelles Inter-  länger dauert, nehmen sich die Besucher     wird schnell zur
          esse haben. Sie sollten auf der Suche nach   nicht mehr die Zeit, in unserem Restaurant       Nervensäge für die
          Gott sein und nicht nur eine günstige Un-  einzukehren. Sie kaufen sich ein Sandwich        anderen Gäste. Nicht
          terkunft suchen.“ Gar nicht so einfach, die   auf die Hand – das war’s!“                    einmal, nachdem er
          wahren Motive herauszufinden. Die Brüder                                                    eine Feuerwerks-
          und Schwestern prüfen die Anmeldungen   Jeanne und Jacques verstehen die Einwände           fabrik zur Explosion
          genau, halten Rücksprache und entschei-  der Einheimischen, doch als Touristen sind         gebracht hat, ist
          den dann, wer in einem der heißbegehrten   sie hellauf begeistert von der Verwandlung,      er sich des Chaos
          Zimmer übernachten darf. „Unser Publikum   die der berühmte Klosterfelsen in den letz-  Bretonische   bewusst, das er
          ist  bunt  gemischt“,  sagt  Pater  Fabien-    ten Jahren gemacht hat  – und in Zukunft   Verhältnisse.     verbreitet. Als er
          Marie. „Zu unseren letzten Gästen zählte   noch  machen  wird.  „Man  muss  mehr   Krimi von Jean-Luc     endlich abreist, atmen
          ein Magnetismus-Heiler. Er versuchte her-  Zeit mitbringen als früher“, sagt Jacques.   Bannalec. Im male-  Gäste und Personal
          auszufinden, wie er diese Gabe mit seinem   „Dafür ist das Erlebnis durch den langen   rischen Künstlerdorf   auf – Monsieur Hulot
          erwachenden Glauben verbinden könnte.“   Spaziergang über die Brücke viel inten-  Pont Aven in der    dagegen kann es
                                              siver.“ Architekt Feichtinger freut’s. Auch   Bretagne wird an   kaum erwarten,
          Mit offenen Armen empfangen die Geist-  wenn er der Meinung ist: „Die schönste   einem heißen Juli-  wiederzukommen.
          lichen auch jeden, der zur heiligen Messe kurz    Art, Mont St-Michel zu erreichen, ist, übers   morgen der hoch-  DVD, 2015
          nach 12 Uhr kommt. Gläubige und Besucher   Watt zu gehen.“           n     betagte Besitzer des   (restauriert).
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