Page 97 - DiVin092017
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Reifung verhagelt. Das Kürzel steht für „untypische Alterungsnote“, an der besonders die Sorten Mül- ler-Thurgau, Kerner und Bacchus leiden: Die Getränke müffelndannnachBohnerwachsodernassemLappen.
Ein Übermaß an Sonne wirkt auf die Trau- ben ebenfalls schädlich, vor allem beim Riesling. Beim Reifen des Weins bilden sich dann Unmen- gen an Trimethyl-Dihydronaphtalin. Es entsteht ein Bukett wie an der Tankstelle. Die Fachleu- te sprechen vornehm von einer „Petrolnote“.
Auch hierzulande kommt dieses Fehlaroma we- gen der globalen Erwärmung immer öfter vor. Doch insgesamt sind die deutschen Winzer eindeutig die „Gewinner des Klimawandels“, wie der Weinkritiker Stuart Pigott sagt. „Seit 1987 gab es hier praktisch kein einziges Jahr, in dem die Trauben sauer blieben.“
Fest steht: Ohne Sonne kann keine Traube ech- te Eleganz und Größe entwickeln. Der Frucht- zucker ist der Schlüssel zu allem. Beerenausle- sen und Eisweine deutscher Herkunft erzielen daher inzwischen Rekordpreise. Eine „Wehlener Sonnenuhr“ des Moselwinzers J.J. Prüm steht auf Platz sieben der teuersten Weine der Welt.
Doch die Erzeuger der Edelsüßen schuften auch am längsten. Zuweilen warten sie bis Anfang November, wenn bereits Nebel durch die Weinberge zieht und die Beeren superzuckrig und von der Edelfäule Bot- rytis cinerea zerschrumpelt am Rebstock hängen.
Beim noblen Château d‘Yquem in Sauternes wird die Lese in bis zu zehn Durchgängen durchgeführt. Wie Detektive schreiten die Erntehelfer von Stock zu Stock und prüfen einzeln jede Traube, ob sie bereits den perfekten Schimmelbezug hat oder noch einige Tage in der spätherbstlichen Sonne vertragen kann.
In Jahren, in denen das Wetter nicht mitspielt, wird bei Yquem überhaupt kein Wein gekeltert, was im vorigen Jahrhundert immerhin neunmal der Fall war.
Der Connaisseur August F. Winkler hat die- sem Trunk, der von allen Weinen am herrlichs- ten vergreist, deshalb die „Gloriole des Gött- lichen“ umgebunden. Andere verglichen seine Farbe mit dem „verlorenen Gold des Rembrandt“.
Beim Verkosten gilt es allerdings aufzupas- sen. Als der ehemalige Fußballer Franz Becken- bauer vor Jahren einen über 200 Jahre alten Yquem öffnete, schoss er ein böses Eigentor.
Der Sportler zog so kraftvoll am mürben Korken, dass dieser in tausend Krümel zerbarst.
At the classy Château d‘Yquem in Sauternes, the harvest is carried out in up to ten rounds. Like detectives, the harvesters walk from vine to vine and individually examine each grape to see whether it already has the perfect mould cover or can still tolerate a few days in the late autumn sun.
In years when the weather is not playing along, Yquem does not make any wine at all, which in the previous century was the case nine times.
The connoisseur August F. Winkler has therefore tied the „Gloriole of the Divine“ around it Others com- pared its colour with the „lost gold of Rembrandt.“
Care should be taken when tasting it, howe- ver. When the former footballer Franz Becken- bauer opened a more than 200 ear-old Chateau Yquem over 200 years ago, he scored an own-goal.
The athlete pulled so forcefully on the cork that it crumbled into a thousand crumbs.
Fotos / Photos ©DWI Spiegel 29/2017
© Deutsches Weininstitut (DWI)
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