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Geschichte
Mittelmeer waren nur Peanuts im Vergleich zu späteren Expeditionen nach Westin- dien und Venezuela, wo die Blaujacken ganz bestimmt auf ihre Kosten kamen, und auch wohl kaum weniger in Brasilien und Kuba. Darüber war es 1897 geworden. Zwei Jahre darauf ging’s über den kleinen Umweg Island mal wieder in mediterrane Gefilde, wo im Dezember des Folgejah- res die gNeiseNau dann das Schicksal erei- len sollte. Sie war inzwischen recht betagt, hatte im Lauf ihrer Karriere aber ihre solide Bauart bei zwei Kollisionen unter Beweis
Die gneisenau-Toten wurden unter militärischen Ehren beigesetzt
„Es hängt noch ein Mann im Mast!“ Mehrere sind es sogar! Zuschauer betrachten entsetzt die Reste der Katastrophe
stellen können, aus denen sie als weitge- hend unlädierte „Gewinnerin“ hervorging. Doch mit den Geschickes Mächten war am 16. Dezember 1900 vor Málaga kein ew’ger Bund zu flechten. Schon am 13. Novem- ber hatte die gNeiseNau im Binnenhafen der Stadt festgemacht, verließ diesen Lie- geplatz jedoch am 10.12. für planmäßige Schießübungen vor der Küste und ankerte dann vor dem Molenkopf 800 bis 900 m vom Ufer entfernt. Am Morgen des 16.12. herrschte schwacher ablandiger Wind, der um 10 Uhr noch weiter abflaute, und es regnete leicht. Alles war mithin in bes- ter Ordnung und keine Gefahr in Sicht. Um 10:30 Uhr sprang der Wind jedoch plötz- lich nach Süden um, also genau auflandig, und wuchs in kurzer Zeit auf Stärke 8 an. Die gNeiseNau nahm sofort Dampf auf und
Die „Puente de los Alemanes“ erinnert an das tragische Geschehen
slippte ihren Anker, doch reichte ihre Fahrt nicht mehr, um sie von der Mole freikom- men zu lassen, womöglich wegen eines Missverständnisses bei der Befehlsüber- mittlung. (Man musste ja einen verant- wortlichen Sündenbock finden.) Das Schiff trieb krachend auf die Steine und begann ohne Verzug zu sinken. Die See zerschlug rasch die Aufbauten, während sich ein Teil der Besatzung in die Takelage ret- tete. Trotz einer schnell hergestellten Lei- nenverbindung mit dem Land kamen 41 Personen ums Leben, darunter der Kom- mandant und 15 (!) Schiffsjungen. Spen- den aus Spanien und Deutschland halfen die erste Not der Geretteten zu lindern, und die Ertrunkenen wurden unter Anteil- nahme der Behörden und der Bevölkerung feierlich auf dem Friedhof der Stadt beige-
setzt; lediglich die später gefundene Lei- che des Ersten Offiziers Berninghaus über- führte man in die Heimat. Das Wrack der gNeiseNau wurde nach der Bergung der Geschütze und diverser Ausrüstungsge- genstände verkauft und danach zur end- gültigen Materialauswertung gesprengt. Was von dem einst so stolzen Schiff ver- blieb, liegt heute unter der Mole von Málaga.
Während der Rettungsversuche hatten sich zahlreiche Malagueños todesmu- tig in die tobende See gestürzt, um den bedrängten Schiffbrüchigen zu helfen. Eine erhebliche Anzahl von ihnen musste ihre Kühnheit gleich den deutschen See- leuten mit dem Leben bezahlen. Zum Gedenken an diese heldenhafte Hilfsbe- reitschaft ließ das Kaiserreich im Jahre 1909, nachdem eine Flut des Rio Gua- dalmedina im September 1907 mehrere Brücken im Stadtgebiet zerstört hatte, die „Puente de los Alemanes“ errichten. Eine Plakette erinnert an das tragische Geschehen, und die Brücke zählt heute zu den touristischen Attraktionen Mála- gas. Auch wenn das Bauwerk als solches wenig spektakulär ist: Die Ereignisse, die zu seiner Konstruktion führten, waren es allemal. 7
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