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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Beim Strandspaziergang: Plastikmüll sammeln!
Christian König
Dem aufmerksamen Spaziergänger entgeht nicht, was die Wellen so anspülen. Wo man noch vor wenigen
Jahren kleine Krebse, Muscheln oder Seesterne zu entdecken vermochte, ist es heute vor allem Abfall, der das Bild trübt. Pro Sekunde werden weltweit ca. 200 kg Plastikabfälle in die Ozeane emit- tiert. 80 % des Abfalls in den Weltmee- ren ist inzwischen Plastikmüll; viele Mil- lionen Tonnen. Und die Tendenz ist stei- gend. Die restlichen 20 % sind Abfälle anderer Art und minderer Güte, die dort allesamt ebenso wenig verloren haben. Flüsse und Meere als Toilettenspülung der Wohlstandsgesellschaft? Ein Alp- traum. Durch die Absorbierung von CO2 aus der Atmosphäre versauern Ozeane langsam, aber stetig. Und die Klimaver- änderung lässt zudem die Temperaturen der Weltmeere ansteigen. Umweltschüt- zer schlagen Alarm, aber wie so oft ver- hallen ihre mahnenden Worte ungehört. Spanischen Quellen zufolge repräsentiert die Textilindustrie 10 % der globalen CO2- Emissionen, der Transport von Lebensmit- teln immerhin 6 %. Jeden Tag verbraucht die Menschheit etwa 12 Mio. t Öl. Gut 70 % davon werden für den Landtransport ver- braucht, dicht gefolgt vom Luftverkehr. Kein Wunder, starten doch weltweit ca. 96 000 Flugzeuge täglich.
Der Umstieg vom Verbrennungs- auf den Elektromotor – bis Ende 2023 sollen welt- weit 20 Mio. Stromer unterwegs sein – kann den CO2-Fußabdruck deutlich mini- mieren. Die Tage des Verbrennungsmo- tors sind insofern zwangsläufig gezählt, zumindest bei der überwiegenden Anzahl der Fahrzeuge im Individualverkehr. Indi- rekt bedeutet dieser technologische Wan- del eine ganz neue Bedrohungs-Qualität
Junge Menschen säubern im Team den Strand
für die Ozeane. Für die E-Mobilität wer- den leistungsfähige Akkumulatoren benö- tigt, zu deren Herstellung Kobalt, Nickel und Magnesium vonnöten sind. Diese Rohstoffe sind an Land ausgesprochen knapp, in unterseeischen Lagerstätten indes in großer Menge vorhanden. Deep Sea Mining (Tiefsee-Bergbau) scheint das Gebot der Stunde zu sein. Wissenschaftler warnen eindringlich vor den unabsehbaren Konsequenzen, die der Eingriff in das Öko- system der Tiefsee mit sich bringen kann. Die Vereinten Nationen wollen bis ins Jahr 2030 rund 30 % der Ozeane in sogenann- ten MPAs (Marine Protected Areas) unter Schutz stellen. Gegebenenfalls sind der- artige Schutzgebiete eine sinnvolle Maß- nahme, um die Herausforderungen des Klimawandels und der Biodiversitätskrise besser anzugehen.
Wahrscheinlich sind die verschiede- nen Lösungsmodelle indes vor allem eines: Verzögerungstaktik. Bis 2030 sind es noch sieben Jahre, und wer weiß, auf welche MPAs man sich bis dahin einigen kann? Dem Grunde nach bedarf es neben
Schutzgebieten vor allem einer Änderung unserer Einstellung. Und um das Einge- ständnis, dass es sich bei der Verschmut- zung der Ozeane bereits jetzt um eine Katastrophe handelt.
Plastik wird in den Ozeanen in Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) zersetzt. Deren Zahl wird sich bis ins Jahr 2050 laut einer WWF-Studie verdoppeln. Über die Nah- rungsketten und Kosmetika nehmen wir Menschen diese Mikroplastikpartikel dann wieder zu uns. Forschenden der Vrije Uni- versiteit Amsterdam gelang Anfang 2022 der Nachweis von Mikroplastik im menschlichen Blutkreislauf, im Universi- tätsklinikum Hamburg-Eppendorf und in der Universität Hamburg wurde Mik- roplastik in menschlichem Lebergewebe nachgewiesen. Plastikmüll und der Green- house-Effekt sind damit nicht etwas, was wir zukünftigen Generationen als bitteres Erbe übergeben werden, sondern Bedin- gungen, die bereits unser heutiges Leben maßgeblich negativ beeinflussen. Statt sich im Kampf gegen die Realitäten zu ver- schleißen, ist es ist an der Zeit, Verantwor- tung zu übernehmen. Durch Vermeiden von Überfluss, die Abkehr von der Weg- werfgesellschaft, sinnvolles Recycling und ggf. Modelle der Kreislaufwirtschaft kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass sich die Lage bessert. Ein erster Schritt kann schon sein, bei jedem Strandspaziergang etwas Plastikmüll mitzunehmen. 7
Plastikmüll an einem tropischen Strand
Leinen los! 12/2023 29
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Foto: iStock/1397771760/Andrea Migliarini