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Christian König
Im Jahr 1785 konstituierte sich in der Prins Hendrikkade 189–194 in Amster- dam mit der „Kweekschool voor de Zee-
vaart“ eine Seefahrtschule. Für Lehrende und Schüler waren Hör- und Schlafsäle vor- handen, dazu eine Küche und eine Kran- kenstation. Bei der Ausbildung des see- männischen Nachwuchses für die Handels- schifffahrt legte man großen Wert auf die praktische Ausbildung. Um diesem Ziel näher zu kommen, entschied die Schullei- tung die Aufstellung eines Übungsschif- fes im Innenhof der Schule. Nicht eben ungewöhnlich, hatten doch die meisten Seefahrtschulen Schiffsmodelle im Maß- stab 1:2 oder 1:3 zur praktischen Ausbil- dung. Weil die Kweekschool voor de Zee- vaart in Amsterdam nicht über die nöti- gen monetären Mittel verfügte, übte man sich im eifrigen Klinkenputzen. Das zahlte sich schnell aus: Der Bankier Henry Hope stiftete 3.000 Gulden (heutiger Wert ca. € 30.000!), die Admiralität Amsterdam drei Masten mit Spieren, stehendem und lau- fendem Gut, nebst Segeln. Der Schiffszim- mermann Arie Staats legte einen Plan vor, wonach er eine hölzerne, 19,81 m lange und 5,37 m breite Fregatte in Wasserlinie bauen würde. Der niederländische Vizead- miral Johan Arnold Zoutman (* 10.5.1724, † 7.5.1793) stiftete Flaggen und Wimpel. Was als „Trockenewer“ für die Ausbildung gedacht war, mauserte sich schnell zum Markenzeichen der Schule. Kein Wunder, ragten doch die Masten des Schulschiffs hoch über die Schulmauern hinaus! Das im Volksmund kaatJe genannte Schiff blieb 45 Jahre im Dienst, bis man es 1830 als nicht mehr sicher einstufte. Ohne statio- näres Schulschiff würde die Kweekschool aber nicht auskommen; man musste erneut Geld sammeln. Preissteigerun- gen gab es schon damals: Der 21,22 m lange und 5,60 m breite Dreimaster kaatJe (II) sollte mit 6.650 Gulden fast dop- pelt so teuer werden, wie die ursprüngli- che kaatJe. Immerhin spendierte man der kaatJe (II) eine formvollendete Galionsfi- gur. Die mochte dem Übungsschiff Glück gebracht haben, denn für über hundert
Jahre lernten Tausende Jungen ihr Hand- werk auf den Planken dieses Schiffes. Vor allem der technische Fortschritt in der See- schifffahrt gab 1934 dazu Anlass, über die Ausbildung auf einem Segelschiff nach- zudenken. Wie zeitgemäß war die Ausbil- dung noch? Eine Frage übrigens, die bis heute diskutiert wird. Damals entschie- den die Lehrenden an der Kweekschool in Amsterdam weise: Auf das Handwerkli- che konnte man nicht verzichten, wohl aber ließen sich die Kosten dafür minimieren. Die kaatJe (II) war ein Holzschiff, ihr Rigg entsprach dem Zeitgeist der europäischen
Befreiungskriege. Seitdem war ein Jahr- hundert ins Land gezogen. Die Schullei- tung entschied zugunsten eines neuen „oefenship“ (niederländisch „Übungs- schiff“), das wartungsarm aus Beton aus- geführt wurde. Der Verein ehemaliger Schüler (Verein Oud-Kweekelingen) gab 4.000 niederländische Gulden dazu. Die Linien der 26,90 m langen und 5,50 m brei- ten kaatJe (III) entsprachen denen der jüngsten Schonergeneration, das Zwei- mastrigg entstand aus dem Fregattenrigg der kaatJe (II). Das Betonschiff sollte die Qualitätsansprüche der Schulleitung nicht
Geschichte
Segelschiff im Häusermeer Stationäres Schulschiff Kaatje (IV)
Prüfungskommission vor der kaatJe an der Kweekschool voor de Zeevaart in Amsterdam (Stich von 1784)
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Fotos: EZS, Stadsarchief Amsterdam, Christian König