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Geschichte
Die zeitgenössische Galionsfigur ist jener jungen Dame nachempfunden, die von 1881–1934 die kaatJe (II) geziert hatte
enttäuschen, bis in die 1960er-Jahre war die kaatJe (III) unverzichtbarer Bestand- teil der seemännischen Ausbildung an der Seefahrtschule in Amsterdam. 1972
übernahm die Hogere Zeevaartschool Amsterdam den Schulbetrieb an der Kweekschool voor de Zeevaart, hielt die kaatJe (III) zunächst noch in Fahrt (eine schöne Formulierung, denn wirklich gefah- ren ist das Schulschiff ja eigentlich nie). Zum Ende der 1970er-Jahre setzte sich in den Niederlanden die Ansicht durch, dass die Segelschiffausbildung nicht mehr dem Zeitgeist entsprach, die Arbeit im Gehölz eine antiquierte Sache sei. Die Nutzung der kaatJe (III) ging zurück. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre lag der formschöne Schoner arbeitslos im Innenhof der Seefahrtschule auf; es drohte der Verfall.
Das bittere Ende zeichnete sich kurz vor der Jahrtausendwende ab. Mangels Bedarf sollte die Berufsschule für See- schifffahrt geschlossen, der Gebäude- komplex verkauft werden. Die kaatJe (III) sollte mitsamt den Schulgebäuden abge- rissen werden. Im Jahr 2000 veräußerte man das Areal, erteilte die Genehmigung zum Abbruch. Bevor die erste Bagger- schaufel ihr zerstörerisches Werk begon- nen konnte, rief das Vorhaben indes die Enkhuizer Zeevaartschool (Enkhuizen Nau- tical College) auf den Plan. An der EZS (www.ezs.nl) werden angehende Besat-
zungen in der praktischen Seemannschaft für traditionelle Segelschiffe, Offiziere und Kapitäne für die Fahrt auf Großseglern aus- gebildet. Die EZS erkannte den Wert der kaatJe (III) als letztes stationäres Schul- schiff ihrer Art, stemmte die schwindeler- regenden Kosten für den Abbau des 70 t wiegenden Fahrzeugs im April 2021 und den Transport als Deckslast eines Binnen- schiffes nach Enkhuizen. Dort wurde die kaatJe (III) auf dem Campus der Zeevaar- tschool in der Straße Kuipersdijk 15 res- tauriert und wieder aufgebaut, unter Ver- wendung zeitgemäßer Materialien (wes- halb man das Übungsschiff heute auch als kaatJe (IV) bezeichnet). An den bis zu 18,90 m hohen Masten des als Stagse- gelschoner getakelten Ausbildungs- schiffes können 18 Segel mit zusammen 235 m2 Segelfläche gesetzt werden. Im Jahr 2006 ernannte man die kaatJe (IV) zum Rijksmonument (Nationaldenkmal). Weil das Betonschiff stationär ist, wird es im Register übrigens als Gebäude geführt – und nicht als Segelschiff im Häusermeer! Sollten Sie einmal nach Enkhuizen in Nord- holland kommen, besuchen Sie die kaatJe (IV). Sie liegt nur 400 m vom Yachthafen entfernt, unweit des malerischen Stadttors Westerpoort (Koepoort). 7
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Die heutige kaatJe (IV) stand 1935–2001 als kaatJe (III) in der Prins Hendrikkade 189-194 in Amsterdam, wurde dann nach Enkhuizen „verpflanzt“