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Unter der Tarnbezeichnung „Seekut- ter“ bzw. „Loggerbauprogramm“ lie- fen Planung und Bau der ersten Marine-
schiffe in der SBZ. Das Schiffsprojekt wurde von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) veranlasst und in Auftrag gegeben. Es sah den Serienbau von 20 Küstenschutzschiffen vor. Abge- leitet aus dem Russischen „Storozevoj korabl“ (Sicherungsboot) wurde das Schiff als Sicherungskutter (SK) und ab Juli 1951 Küstensicherungsboot (KS-Boot) bezeich- net. Die sowjetischen Absichten zum Bau der Marineschiffe sind in der Planungs- phase nicht eindeutig. Ob die Marine- Abteilung der SMAD eine Verwendung für ihre Seekriegsflotte erwog oder die Fahr- zeuge für künftige Seestreitkräfte der DDR vorsah, war zu Beginn unklar. Die Deutsche Verwaltung des Innern (DVdI) hatte 1 Mio. DM-Ost aus ihrem Etat „Bauvorhaben“ für Projektierung und Bau der ersten beiden Schiffe bereitzustellen. Anfänglich galten die in Auftrag gegebenen 20 Schiffe als Reparationsleistung für die Sowjetunion. Sie waren Teil von „Wiedergutmachung“. Damit im Zusammenhang schuldete die SMAD den Verwaltungsorganen der SBZ erhebliche Finanzmittel. Der Landesprä- sident von Mecklenburg mahnte am 14. Juli 1948 in einem Schreiben an General- leutnant Trufanow ausstehende Zahlun- gen von 27,5 Mio. Reichsmark durch die SMA Schwerin an. Schließlich entschied die Sowjetische Kontrollkommission (SKK, Nachfolger der SMAD) nach einer Beratung am 1. April 1950, das Projekt „20 Seekutter“ aus den Reparationslieferun- gen herauszulösen. Die Beratung in Berlin- Karlshorst führten seitens der SKK KAdm Jurin, die Kapitäne 1. Ranges (KptzS) Baro-
din, Lukatschewitsch, Starostin und Kula- gin mit dem Chef der Hauptabteilung z.b.V. See im MdI, VP-Inspekteur (KptzS) Felix Scheffer und VP-Kommandeur (FKpt) Friedrich Elchlepp.
Planung
Am 18. August 1948 erteilte die SMAD im Befehl Nr. 22/716 an die Generaldi- rektion Schifffahrt Order zum „Neubau von 20 Seekuttern“. An das Referat Schiff- bau in der Hauptverwaltung Maschinen- bau und Elektroindustrie der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) ging parallel die Weisung Nr. 131/48 für den „Neubau von 20 Fischkuttern“. Für Irri- tationen sorgten die unterschiedlichen Schiffstyp-Bezeichnungen. Tarnungsas- pekte können nicht ausgeschlossen wer-
den. Im September 1948 beauftragte die DVdI auf Anordnung der Marine-Abtei- lung der SMAD und in Abstimmung mit dem SED-Zentralsekretariat das Zent- rale Konstruktionsbüro Berlin mit Anfer- tigung der Studie „Küstenschutzboot mit U-Jagd-Eigenschaften“. Diese Klassifika- tion typisiert ein Kriegsschiff und nicht Fischerei- oder Grenzschutzboot bzw. Kutter. Die Wassertransportabteilung der SMAD verfügte seit 25. August 1948 über eine Liste mit geeigneten Werftstandor- ten. Den Zuschlag für den Neubau erhielt die Yachtwerft Claus Engelbrecht in Ber- lin-Köpenick (spätere Yachtwerft Berlin). Sie verfügte über Erfahrungen im Mari- nekleinschiffbau und sollte den utopi- schen Eil-Auftrag ausführen. Während des Krieges baute die Werft leichte Tor- pedoschnell-, Spreng- und Sturmboote.
Geschichte
Erste Küstensicherungsboote
der Seestreitkräfte der DDR Planung – Bau – Indienststellung (1948 bis 1951)
Ingo Pfeiffer
Nach den Aufsätzen „Die Anfänge maritimer Rüstung im Osten Deutschland“ in Leinen los! 3 und 4/2016 widmet sich dieser Beitrag dem ersten Neubau von Marineschiffen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ, 1945–1949). Sie gehörten zu den ersten Eigenbauten für die Hauptverwaltung Seepolizei, der Vorläu- ferorganisation der Seestreitkräfte der DDR.
SK-1 in Bau bei der Werft Claus Engelbrecht Berlin
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Foto: Sammlung Ingo Pfeiffer