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Geschichte
3780 t Gerste und einer Besatzung von 86 Mann, darunter 51 Handelsschiff-Offi- zieranwärtern, Kurs Hamburg aus. Das 114,5 m ü.a. lange Schiff mit einer Segel- fläche von 3600 m2 bei 32 Segeln war am 29. Juli 1905 bei Blohm & Voss als einer der Flying P-Liner der Hamburger Ree- derei Laeisz vom Stapel gelaufen und ist nun, nach bewegtem Schiffsleben im Sal- peter- und Getreidetransport und insge- samt 36 Kap Hoorn-Umrundungen, für die von 40 Reedereien getragene „Stif-
aus dem dann „Carrie“ wird. Seit dem 6. September senden verschiedene Funk- stationen regelmäßig Wettermeldungen an die in diesem Seegebiet fahrenden Schiffe über den heranziehenden Hurri- kan Carrie. Allein Washington NSS sen- det vom 6. bis 21. September 62 Warn- meldungen, zum Schluss viermal täglich, Horta/Azoren meldet Carrie am 19. Sep- tember um 12.30 Uhr. Es ist bis zum heuti- gen Tag nicht klar, ob die Sprüche an Bord der PAmir empfangen wurden.
Die PAmir und der Hurrikan Carrie treffen aufeinander
zu hören. Das wird sich aber tags darauf dramatisch ändern.
Am 21. September, einem Sonnabend, ca. 600 sm westsüdwestlich der Azoren, gegen 09.30 Uhr Ortszeit, erreicht der Orkan das Schiff. 10 bis 12 Segel, darun- ter sämtliche Marssegel, Fock und meh- rere Stagsegel stehen noch. Die PAmir holt stark über, und als das erste Segel weg- fliegt, so berichtet es Karl-Otto Dummer, wird Alle-Mann-Manöver über die Alarm- glocke gegeben. Schoten werden los- geworfen, gleichwohl können die Segel von der Stammbesatzung, die in die Top- pen geschickt wird, nicht mehr ordent- lich geborgen werden. Segel zerreißen,
Auslaufen aus Buenos Aires
tung PAmir und PAssAt“ als frachttragen- des Segelschulschiff für Kadetten der Handelsmarine unterwegs.
Die Gerste hatte die Besatzung sowie „eine Gang Soldaten“, so der Ladebericht des Kapitäns, aufgrund eines Streiks der Hafenarbeiter selbst geladen, überwie- gend lose und teils mit Säcken beschwert, ohne Staubmasken – eine „mörderische Arbeit“, so schreibt einer der Kadet- ten nach Hause. Der II. Offizier Gunther Buschmann berechnet nach Ende der Beladung eine Rollperiode des Schiffes, die er für „nicht allzu gut“ hält, mit einer Stabilitätsgrenze bei 37 Grad, wie er dem Leichtmatrosen Günter Haselbach, der das Unglück überlebt, in einem Gespräch auf Wache anvertraut, und klebt diese Berechnung ins Schiffstagebuch ein. Am 31. August wird der Äquator passiert, zwei Tage später meldet ein Passagier- flugzeug südöstlich der Kapverden die Entstehung eines Hurrikans. Die Seefunk- stelle NSS Washington registriert ihn als dritten der Saison mit dem Buchstaben C,
Am 19. September segelt die PAmir unter strahlend blauem Atlantikhimmel dahin, die See ist ruhig, die Sonne scheint, die Bulleyes sind geöffnet, um frische Luft hereinzulassen und nichts schien dar- auf hinzudeuten, dass sich hier bald die größte Schiffskatastrophe der deutschen Nachkriegszeit anbahnen würde. Von Car- rie ist weit und breit nichts zu sehen, zumal der Hurrikan mit ganz anderen, wechseln- den Kursen unterwegs ist als die PAmir selbst. Carrie zieht zuerst nach Westen, schwenkt am 11. September nach Nord- west und ändert seine Route nochmals am 17. auf Nordost, am 18. dann auf Ost. Am 19. abends ist der Hurrikan nur noch 540 sm von der Nordkurs steuernden PAmir entfernt.
Besatzungsangehörige, inklusive des II. Offiziers, schicken noch am 20. Sep- tember frohgestimmte Funktelegramme ohne jeglichen Hinweis auf das herannah- ende Unheil nach Hause. Karl-Otto Dum- mer besucht den Funker in seiner Bude, doch da gab es auch nichts Aufregendes
Stapellauf der PAmir bei Blohm & Voss
36 Leinen los! 9/2022