Page 15 - Leinen los! 11/2023
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Da Besatzungen von Schiffen nicht in der Lage sind, den tatsächlichen Kreislauf- zustand von im Wasser treibenden Per- sonen zu beurteilen, wurde in dem RLS- Projekt ein allgemein nutzbares, horizon- tales Herausheben bei starkem Seegang angestrebt.
Unter der Bedingung der Erfüllung die- ser zentralen Kriterien wurden weitere wichtige rettungstechnische Anforde- rungen in das Konzept integriert. Hierzu gehört u.a. die Notwendigkeit, eine stark eingeschränkte – wenn überhaupt noch mögliche – Handlungsfähigkeit von Schiffbrüchigen ebenso zu berück- sichtigen, wie den allseitig freien Zugang zum Rettungsmittel, eine größtmögliche Unabhängigkeit von Seegang und Wet- terbedingungen, die Vermeidung von Verletzungen, einen leicht und klar über- schaubaren Rettungsablauf, die Bewälti- gung hoher Bordwände, die Aufnahme von gleichzeitig mehreren Schiffbrüchi- gen ohne Eigengefährdung der Crew und eine sofortige Wiederverwendbar- keit bei möglichst geringen Stauproble- men und Wartungskosten.
Um die Fülle dieser und weiterer Bedin- gungen in einem einfachen, gut über- schaubaren Gerät berücksichtigen zu können, wurden die zu lösenden Aufga- ben zwei einander entgegengesetzten baulichen Komponenten zugeordnet, deren Funktionen sich gegenseitig ent- lasten und ergänzen und zusammen eine leicht zu handhabende Einheit bilden. Intensiviert wurde die Entwicklung durch das Sub-Komitee COMSAR der IMO. Von COMSAR 10 wurden 2006 neue SOLAS Regulation angestrebt. Alle IMO-Schiffe sollten dazu verpflichtet werden, zehn Personen pro Stunde bei signifikant 3 m hohen Wellen kreislaufschonend auf- nehmen zu können. Da es hierfür keine geeigneten Rettungsmittel gab, erfolgte parallel ein Aufruf zur Forschung, der über die Dienststelle Schiffssicherheit, BG-Verkehr, als Bitte um ehrenamtli- che und unentgeltliche Entwicklung von neuem Rettungsgerät 2006 an das RLS-Forschungs- und Entwicklungsbüro des Autors weitergeleitet wurde. Es folg- ten Tests der Prototypen auf See und im Großen Wellenkanal des Forschungszen- trums Küste an der Leibniz Universität Hannover, z.T. unter Aufsicht der Dienst- stelle Schiffssicherheit.
Das Grundprinzip des RescueStar®:
y Über Wasser: Die erste Systemkom- ponente, der Rettungsschwimmkör-
per, weist in seiner Mitte eine Lei- nendurchführung auf, wodurch der Schwimmkörper an einem Kranseil bzw. Kranseilvorläufer im Seegang auf und nieder gleitet. Der kreisförmig gestaltete Schwimmkörper ist außen mit 4 schwimmfähigen großen Hand- schlaufen versehen, an denen sich Schiffbrüchige durch einfaches Ein- haken mit dem Arm sichern können.
am Schwimmkörper gesicherten Perso- nen immer oberhalb des aufgespannten Netzes. Durch die Gleitfunktion sinkt der Schwimmkörper beim Aufholen automa- tisch auf ein Lager, sodass die Schiffbrü- chigen ihren Halt an den Schlaufen nicht wieder zu lösen brauchen.
Nicht nur bei Erprobungen bei bis zu 4 m hohem Seegang im Nordatlantik, son- dern auch in einem Ernstfall bei Beaufort
Mit dem RescueStar® können Menschen auch bei schwerer See geborgen werden. Dabei hilft das Zweikomponentensystem die Wellen zu bewältigen. Die erste Komponente ist der Schwimmkörper (oben) die zweite das Spreizgestell, das
als Kontergewicht dient
y Unter Wasser: Die zweite System- komponente besteht aus einem V-förmig zusammenfaltbaren, stern- förmigen im Wasser untergehenden Spreizgestell, über das ein Netzsys- tem muldenförmig aufgespannt ist. In der Mitte der Konsole des Spreiz- gestells ist ein Führungsrohr für den Schwimmkörper vertikal angeordnet. An seinem oberen Ende ist ein Kran- seilvorläufer befestigt, der in einen Kranhaken eingehakt wird.
Beide Komponenten arbeiten so zusam- men, dass sich das Spreizgestell ca. 2 m abgesenkt immer unter dem Wellental befindet. Beim Aufholen mit dem Kran werden hierdurch bis zu vier am Schwimm- körper (Standardgerät) gesicherte Perso- nen automatisch schonend und horizon- tal aus dem Wasser gehoben.
Die ebenfalls selbsttätig erfolgende Wel- lenhöhenanpassung des Schwimmkör- pers wird durch die Kontergewichtsfunk- tion des Spreizgestells ermöglicht. Der Kranseilvorläufer wird auch bei starkem Seegang vertikal gehalten und verhindert eine Abdrift. Hierdurch befinden sich die
10 und 5 m hohen Wellen (lt. Logbuch), hat sich das Zusammenwirken der beiden Systemkomponenten bewährt.
Nach dem Untergang des Frachtschif- fes vandOn ace wurden am 23.02.2022 von dem Containerschiff MSC rapallO (365 m) der Reederei CPO, Hamburg, nachts im Dunkeln vier im Wasser trei- bende Schiffbrüchige unter Verwen- dung des RescueStar® aufgenommen. Im Bericht des Kapitäns heißt es: „Rescue star proved to be effective in picking up persons from water even in difficult wea- ther conditions. In this particular case, recovery was possible only by using res- cue star, . . . Rescued person was weak and exhausted, not moving and half-con- scious, later on board recovered quickly.” (RescueStar® erwies sich bei der Bergung von Personen aus dem Wasser auch bei schwierigen Wetterbedingungen als wirksam. In diesem speziellen Fall war eine Bergung nur durch den Einsatz von RescueStar® möglich ... Die geret- tete Person war schwach und erschöpft, bewegungslos und halb bewusstlos, spä- ter an Bord erholte sie sich schnell.“)
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