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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Tödliche Arbeitsplätze Abwrackwerften in Südostasien
Christian König
Die Lebensdauer eines Seeschif- fes beträgt 25 bis 30 Jahre, danach sollte es verschrottet werden. Dabei fal-
len zahllose Gefahrstoffe an. Das zur Wär- medämmung verwendete Asbest ist hoch- gradig krebserregend. Schwermetalle, die in verschiedenen Schiffsteilen vorhanden sind, können Gewässer und Böden verun- reinigen. Mineralöl und andere Schmier- stoffe sind schädlich, polyzyklische aroma-
fen, das am 26.6.2025 in Kraft trat. In der Europäischen Union wurde 2013 die euro- päische Verordnung 1257/2013 erlassen, die strenge Richtlinien für sicheres und verantwortungsvolles Recycling festlegt. Die Einhaltung all dieser Vorschriften macht das Abwracken von Schiffen in Europa jedoch teuer. Und zwar so sehr, dass viele Reeder nach billigeren Alter- nativen suchen. In Südostasien hinge- gen sind Gesetze weniger streng. Dort gibt es mehrere Abwrackwerften, um die Stahlgiganten Stück für Stück zu zerlegen. Um Schiffe dort zu verschrotten, sind so genannte „Billigflaggen“ nötig. Dabei wird das Schiff in einem anderen Land als dem des Reeders registriert, um von günstige- ren Bestimmungen, niedrigeren Kosten und weniger Beschränkungen zu profitie- ren. Damit lassen sich rechtliche und öko- logische Verpflichtungen umgehen. Beim Ausflaggen beliebte Länder sind Liberia, Panama oder die Marshallinseln. Sie haben laxe Gesetze bei der Schiffsabwrackung und lassen diese Tätigkeit in südostasiati- schen Anlagen zu. Für die Eigner bedeutet dies eine beträchtliche monetäre Erspar- nis. Den Preis zahlen andere.
Von 2009 bis Mitte 2024 wurden in den großen Zerlegungsbetrieben Südost- asiens (Bangladesh, Indien, Pakistan) insgesamt 8221 Schiffe abgewrackt. Die Arbeitsbedingungen in den Schiffsab- wrackwerften Südostasiens sind äußerst schlecht. Die Internationale Arbeitsorga- nisation (ILO) hat diese Tätigkeit aufgrund der hohen Unfall- und Krankheitsrate als
eine der gefährlichsten weltweit einge- stuft. In den Betrieben sind hauptsäch- lich Männer und Jugendliche beschäftigt, oft Migranten aus ländlichen Gebieten. Sie haben weder einen formellen Vertrag noch soziale Absicherung oder Arbeitsga- rantien. Sie arbeiten oft ohne persönliche Schutzausrüstung und sind ständig gifti- gen Stoffen wie Asbest und Schwermetal- len ausgesetzt, was ihre Gesundheitsrisi- ken deutlich erhöht. Darüber hinaus sind die Arbeitszeiten lang und zermürbend: Sie dauern zwischen 12 und 16 Stunden, es gibt kaum Pausen und keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung. In den Einrichtungen fehlt es an grundle- gender Infrastruktur wie Trinkwasser und Toiletten, was die Lebensbedingungen noch weiter verschärft. Von 2009 bis 2024 wurden infolge von Unfällen 470 Todesfälle und 512 Schwerverletzte registriert (die Dunkelziffer liegt noch darüber). Trotz der Bemühungen internationaler und lokaler Organisationen, die Arbeitsbedingungen auf den südostasiatischen Abwrackwerf- ten zu verbessern und Risiken zu reduzie- ren, führen die hohe Nachfrage nach billi- gem Abwracken und das Fehlen wirksamer Regulierungen weiterhin zu hochgefährli- chen Bedingungen in diesem Gewerbe. In der bemerkenswerten Sonderausstel- lung „Breaking Ships – Breaking Lives“ macht das Museu Marítim Barcelona (https://www.mmb.cat/) noch bis zum 30. November 2025 auf die prekären Bedingungen auf südostasiatischen Ab- wrackwerften aufmerksam. 7
Schiffe abwracken gefährdet Leben
tische Kohlenwasserstoffe (PAK) und poly- chlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige und persistente Chemikalien, die in Farben und elektrischen Isolierungen verwendet wer- den. Zinnbasierte chemische Verbindun- gen sind in Antifouling-Farben enthalten, um zu verhindern, dass sich Kleintiere und Algen am Rumpf festsetzen. Sie sind hoch- giftig für Meereslebewesen.
Um Mensch und Natur vor diesem Gift- cocktail zu schützen, gibt es In Europa strenge Vorschriften. Das Basler Überein- kommen, das 1989 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen adaptiert wurde und seit 1992 in Kraft ist, regelt den inter- nationalen Handel mit gefährlichen Abfäl- len und deren Entsorgung. Die Internati- onale Arbeitsorganisation veröffentlichte zudem 2004 Richtlinien für Gesundheit und Sicherheit bei der Abwrackung von Schif- fen. Die Internationale Seeschifffahrts- organisation beschloss 2009 das Hong- kong-Übereinkommen für korrektes und umweltverträgliches Recycling von Schif-
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In Deutschland hat kürzlich mit der EWD Benli auf dem Gelände der Emder Werft und Dock GmbH (EWD) das erste Recycling-Unternehmen nach dem notwendi- gen Zertifizierungsverfahren den Betrieb aufgenommen. Das Kerngeschäft soll der Rückbau von Seeschiffen, Binnenschiffen, Küstenmotorschiffen sowie Fahrgast- schiffen und Fähren werden. „Im Prinzip können wir künftig alles zerlegen, was durch
die Seeschleuse in den Emder Hafen einlaufen kann“, heißt es vom neuen Unternehmen. Erste Anfragen soll es bereits geben. hjw
Hier sollen bald auch Schiffe recycelt werden
Foto: EWD
Foto: ck

