Page 29 - Leinen los! 11/2022
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ernSt thälmann –
Flagg- und Schulschiff der Seestreitkräfte der DDR
Ingo Pfeiffer
Vor 70 Jahren stellten die Seestreitkräfte der DDR (bis 1956 mit Pseudonym VP-See) ihr erstes Schul- schiff in Dienst. Es trug den Namen Ernst thälmann und galt anfänglich als Flaggschiff. Es war 1952 bereits 23 Jahre „in Fahrt“, davon 8 Jahre als Werftlieger. Es blickte auf eine bewegte Geschichte zurück und stand 10 Jahre im Dienst der Seestreitkräfte. Konteradmiral a.D. Dr. Friedrich Elchlepp hinterlegte 1989 im Militärgeschicht- lichen Institut (Potsdam) einen Bericht zur Fahrt des Schiffes 1959 nach Leningrad. Darauf nimmt der Autor Bezug.
Nach Kiellegung am 15. Juli 1925 auf der Orlogsværftet in Kopenhagen lief das Schiff unter den Namen hvid-
bjœRnen am 27. Dezember 1928 vom Sta- pel. Am 21. Mai 1929 wurde es als Inspekti- onsschiff (914 t, 14,5 kn) für Fischereischutz in den Dienst der Königlichen Dänischen Marine gestellt. Das Dampfschiff, ein Back- decker mit geradem Vorsteven, war mit zwei 87-mm-Kanonen bestückt.
Geschichte
Es zeigte Präsenz um Island, Grönland und den Färöer-Inseln. Die Marine nutzte das Schiff zur Ausbildung von Kadetten. Am 29. August 1943 versenkte die Besat- zung die hvidbjœRnen nahe „Vengeance- Grund“, um es dem Zugriff der deutschen Kriegsmarine zu entziehen. Hebeschiffe vom Marinebergungs-und Seedienstkom- mando (Kiel) hoben das Wrack im Auftrag der Kriegsmarine. Das Schiff kam zu Repa- raturen nach Korsör. Die Kriegsmarine ließ es am 13. November 1944 zur Instandset- zung nach Warnemünde überführen. Die Werft Neptun AG in Rostock sollte das Schiff wieder fronttauglich machen. Dazu kam es nicht mehr. Nach dem Krieg ver- zichtete Dänemark auf die Rückgabe des Schiffes. Es verblieb als unbearbeitetes Wrack im Warnemünder Hafen. Beim Ver- holen 1947 geriet es durch fehlende Stabi- lität in eine Schlagseite und kenterte. Der „Schiffsbergung und Taucherei“ (Stral- sund) gelang 1949 die Bergung. Schlep- per bugsierten das Schiff zunächst in die „Hansewerft“ in Wismar. Im Oktober 1950 kam es auf die Slipanlage der Stralsunder Staatswerft. Ein Teil der Bordwand und Schlingerkiele wurde erneuert, ebenso die Schwanzwelle und der Propeller.
Übergabe an HV Seepolizei
Zuvor übergab die Sowjetunion am 12. Juni 1950 aus ihrem Schiffs-Beutebestand die hvidbjœRnen und drei weitere dänische Schiffe an die DDR. Die Fahrzeuge befan- den sich in einem desolaten Zustand. Die sowjetische Kommission leitete Kapitän 1. Ranges M.F. Krochin. Den Vorsitz der DDR-Kommission hatte der stellvertre- tende Ministerpräsident, Heinrich Rau. Ihm zur Seite stand VP-Inspekteur Kapi- tän zur See Felix Scheffler. Mit Bildung
Mützenband Volkspolizei See, 1952–1956
Mützenband Seestreitkräfte, 1956–1960
der HV Seepolizei am 16. Juni 1950 fiel die Entscheidung für die Instandsetzung und den Umbau der hvidbjœRnen zum künfti- gen Marine-Schulschiff unter der Projekt- bezeichnung „Dorsch“. Dazu wurde es im Frühjahr 1951 in die Peenewerft Wolgast geschleppt. Für die Überführung kamen Besatzungsangehörige vom Räumboot R-5 mit Kommandant, VP-Oberkommis- sar Horst Schulze (Oberleutnant zur See) an Bord. In der Werft erhielt das Schiff einen schrägen Vorsteven, neue Brücke und Schornstein sowie nach Achtern ver-
Geschichte
hvidbJœrnEn (1929–1943)
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Foto: Archiv Orlogsværfetet Foto: Archiv Ingo Pfeiffer Foto: Archiv Ingo Pfeiffer


































































































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