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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Havarie im Windpark Gode Wind 1 Schwerwiegende Verfehlungen auf mehreren Ebenen
Matthias Faermann
Ein Vorfall beunruhigt die Anrainer der deutschen Nordseeküsten. Im April 2023 havarierte der Mehrzweck- frachter Petra L mit der Windkraftanlage GOW R04 im Offshore-Windpark Gode Wind 1 nahe Juist. Der genaue Unfallverlauf und die Ursachen waren über einen längeren Zeitraum unklar, bis im zurückliegenden Januar der Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) veröffentlicht wurde.
Hier zeigte sich eine Reihe von schwer- wiegenden Verfehlungen auf meh- reren Ebenen, die überaus beunruhigend
sind. So hat der Erste Offizier der PEtRa L wohl kurz vor der Wachübergabe an den Kapitän den Schiffskurs zum nördlichen Fahrspurrand des Verkehrs-Trennungs- Gebietes (VtG) Richtung Windpark geän- dert. Der sich anschließend allein auf der Brücke befindliche Kapitän ließ den Kurs bestehen, schlief sofort aufgrund Übermü- dung ein und erwachte erst durch die Kolli- sion mit dem Windrad. Die PEtRa L hatte im Bugbereich an Steuerbordseite schwere Beschädigungen mit einem nachfolgen- den Wassereinbruch, glücklicherweise gab es keine Verletzten. Der Kapitän reagierte schnell und wendete sein schwer lädier- tes Schiff Richtung VtG, um nach Emden zu fahren.
Die abwechselnd zuständigen Mitarbei- ter der Verkehrszentralen Wilhelmsha-
ven, Jade und Emden sowie der Überwa- chungszentrale des Windparkbetreibers hatten von der Irrfahrt des Frachters in die Sicherheitszone des Windparks und dem Aufprall nichts mitbekommen – die automatisch auslösenden Alarme bei der Windparküberwachung waren stumm- geschaltet, die Verkehrssicherung durch die Verkehrszentrale „German Bight Traf- fic“ war aufgrund einer Erkrankung unter- besetzt. Auch eine spätere Unfallmel- dung per UKW wurde ignoriert. Letztlich bemerkte der Kapitän eines Tonnenlegers am nächsten Morgen den Schaden an der PEtRa L in der Hafenschleuse Emden und meldete ihn sogleich.
Im Untersuchungsbericht wurden noch eine Reihe weiterer Probleme identifi- ziert, so z.B. die Tatsache, dass die Wind- parküberwachung aufgrund gesetzlicher Vorgaben kein Radar oder Video ver- wendet, sondern ihr Lagebild lediglich
mittels der von den Schiffen aktiv aus- gesendeten AIS-Signale erstellt. Das heißt, sollte sich ein Fahrzeug mit bösen Absichten dem Windpark annähern wol- len, so braucht es nur sein AIS abzuschal- ten. Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) sorgt sich ein- mal mehr um die Verkehrssicherheit. „Wenn wir uns in Sorge um die Sicher- heit der Nordsee als Lebensraum, solch ein Scenario ausgedacht hätten, wären wir wohl als Phantasten bezeichnet wor- den“, vermutet der SDN-Vorsitzende Gerd-Christian Wagner.
Aber nicht nur wegen enger werdender Fahrtwege für Schiffe auf der Nordsee, sondern auch aufgrund direkten menschli- chen (Fehl-)Handelns könnten immer wie- der Situationen eintreten, die schlimmste Folgen für die Meeresumwelt nach sich ziehen könnten. Die Havarie der PEtRa L bestätigt eine solche Befürchtung leider
Blick in den Offshore-Windpark Kaskasi, ca. 35 km nördlich Helgoland. Der Windpark wurde am
23. März 2023 offiziell in Betrieb genommen
18 Leinen los! 4/2025
Foto: Matthias Ibeler, RWE AG


































































































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