Page 32 - Leinen los! 10/2025
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Geschichte
unter General Washington zugutekom- men sollte, als eine der wertvollsten Pri- sen der ganzen Fahrt betrachtete. Zwischen dem 17. und dem 19. Novem- ber trat die leck gewordene proVidence alleine die Heimfahrt an. AlFred erreichte am 22. November den Fischereihafen Canso im Nordosten von Neuschott- land. Jones setzte vor dem Hafen meh- rere Boote aus. Die Besatzungen steckten ein mit Militärproviant beladenes Trans- portschiff sowie ein Lagerhaus mit Walöl in Brand und beschlagnahmten einen klei- nen Schoner als Ersatz für die proVidence. Schließlich rekrutierte Jones (höchstwahr- scheinlich unter Zwang) örtliche Fischer, um die – durch den Transfer von Prisen- mannschaften geschwächte – Besatzung der AlFred zu ergänzen.
Nun startete Jones mit der Ausführung des wichtigsten Teils seines Einsatzbe- fehls. Im Herbst hatten die Behörden in Philadelphia erfahren, dass ca. 300 ame- rikanische Seeleute – überwiegend Besat- zungsmitglieder von Handelsschiffen oder Kaperfahrern – als Zwangsarbeiter in den Kohlebergwerken bei Sydney, an der Nordostküste der Cape Breton Insel festgehalten wurden. Die dort abge- baute Kohle war überwiegend zur Ver- sorgung der britischen Truppen in Ame- rika bestimmt. Jones´ Auftrag umfasste die Befreiung der Amerikaner sowie die Sprengung der Kohlebergwerke. Der Ein-
Captain John Paul Jones befehligte AlFred während der Entsendung nach Neuschottland
satzplan: Landungstruppen sollten unter dem Schutz von AlFreds Bordgeschüt- zen die britische Garnison überwältigen und die gefangenen Amerikaner auf das Kriegsschiff sowie auf die Prisen evaku- ieren.
Während der Fahrt entlang der Südküste der Cape Breton Insel brachte AlFred am 24. November drei vollbeladene Koh- letransporter auf. Als Jones am nächs- ten Tag versuchte, in die Cabot Straße nordöstlich der Insel einzufahren, um Sydney zu erreichen, zwangen Sturm- wind und Treibeis den Kapitän, den Ein- satz kurz vor dem Ziel abzubrechen. Die AlFred setzte Südkurs und trat die Rück- fahrt an. Am 26. November fiel noch das mit 10 Kanonen bewaffnete Kaperschiff John oF liVerpool den Amerikanern in die Hände. Zwei Tage später begegnete AlFred der mit 28 Geschützen bewaffne- ten leichten Fregatte HMS milFord. Der sonst als Draufgänger bekannte Jones trat die Flucht vor dem überlegenen Gegner an und brachte nach einer vierstündigen Verfolgung sein eigenes Schiff und sämt- liche Prisen in Sicherheit. Am 15. Dezem- ber 1776 erreichte AlFred Boston, wo das Schiff einer umfassenden Überholung unterzogen wurde.
Letztes Gefecht
Im Mai 1777 wurde John Paul Jones durch Elisha Hinman als Kapitän der AlFred abgelöst. Am 22. August setzte das Schiff zur dritten großen Fahrt an. In Beglei- tung der 1776 als Kriegsschiff gebauten
Fregatte rAleigh (32 Geschütze) unter Captain Thomas Thompson überquerte AlFred den Atlantik, um in L’Orient (Bre- tagne) militärische Ausrüstung an Bord zu nehmen. Die am 29. Dezember angetre- tene Rückfahrt erfolgte auf Umwegen. In der Hoffnung auf Prisen segelten AlFred und rAleigh zuerst entlang der westafrika- nischen Küste, dann in Richtung der West- indischen Inseln.
Am 9. März 1778 war die Glückssträhne der AlFred zu Ende. In der Nähe von Bar- bados sichteten die Amerikaner die briti- schen Kriegsschiffe AriAdne (leichte Fre- gatte, 20 Geschütze) und cereS (Slup, 18 Geschütze). Auf dem Papier war der amerikanische Verband den britischen Schiffen überlegen, doch die Wendigkeit der mit Fracht und Prisengut beladenen AlFred eingeschränkt. Captain Thomp- son war nicht gewillt, den Verlust seines Schiffes und dessen Ladung zu riskieren. Als Dienstältester der beiden Schiffsfüh- rer ordnete Thompson die Flucht an. Die schnittigere rAleigh hängte bald nicht nur die britischen Gegner, sondern auch die AlFred ab. Hinman stellte sich notgedrun- gen zum Kampf. Nach einem halbstündi- gen Gefecht gegen die beiden wendigen Gegner strich AlFred die Flagge.
In englischen Diensten und danach
AlFred wurde nach Barbados überführt und als Prise verkauft. Die Royal Navy erwarb das Schiff, das fortan als Slup mit 20 Geschützen eingestuft wurde. Im Ver- lauf des 28-monatigen Einsatzes bei der amerikanischen Marine hatte AlFred drei Kriegsfahrten bestritten und in deren Ver- lauf 12 britische Kriegsschiffe und Han- delsschiffe sowie eine größere Anzahl kleinerer Prisen genommen. Details des Kriegsdienstes von HMS AlFred hinge- gen sind nicht erhalten. Mit größter Wahr- scheinlichkeit setzte die Royal Navy das Schiff in der Karibik und im Westatlantik für Geleitaufgaben, Aufklärungspatrouillen und als militärisches Transportschiff ein. Nach Kriegsende wurde das Schiff an einen Reeder verkauft. Ab 1782 fuhr AlFred wieder als Handelsfahrer, zunächst zwischen London und Jamaica. Register- einträge gegen Ende des Jahrhunderts belegen Fahrten zwischen verschiedenen karibischen Häfen sowie nach Charleston in den USA und nach Demerara (Guyana) in Südamerika. Nach 1801 verläuft sich AlFreds Spur. 7
Modell der AlFred im Marinemuseum der US Naval Academy in Annapolis
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Foto: NHHC
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