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Geschichte
Gemeinsam mit den anderen zeitgleich erworbenen Einheiten wurde AlFred im November und Dezember in Phila- delphia gefechtstauglich hergerich- tet. Unter anderem wurde die Takelage angepasst, um die Manövrierfähigkeit zu verbessern. Der Rumpf wurde ver- stärkt und mit zusätzlichen Geschütz- pforten versehen. Das Schiff, das bereits als Handelsfahrer mit bis zu 16 Geschüt- zen zur Piratenabwehr bewaffnet war, konnte später zwanzig 9-Pfünderge- schütze und zehn 6-Pfünder aufneh- men. In der Praxis segelte AlFred aller- dings häufiger mit einer leichteren Batte- rie von 24 Geschützen, davon 18 9-Pfün- der auf dem Geschützdeck und bis zu 6 6-Pfünder, verteilt zwischen der Back und dem Achterdeck. Die Standardbesatzung umfasste 220 Mann einschließlich Marine- infanteristen.
John Barry war Kapitän des Handels- schiffs BlAck Prince und beaufsichtigte Ende 1775 die Modifizierung des Schiffs. Er trat 1776 als Kapitän in den Dienst der amerikanischen Marine ein. Barry befehligte fünf Schiffe (nicht die AlFred) und stieg zum Kommodore auf
Slup oder Brigg waren, automatisch als Fregatte einzustufen. Ab dem 19. Jahrhun- dert beschreiben Autoren AlFred zuneh- mend als Fregatte. An Größe, Anzahl der Geschütze sowie Umfang der Besatzung gemessen, entsprach das Schiff tatsäch- lich weitgehend den „Sixth Rate“ leichten Fregatten der Royal Navy. Allerdings war der umfunktionierte Handelsfahrer den – von Anfang an als Kriegsschiffe ausge- legten – britischen Fregatten hinsichtlich Manövrierfähigkeit und Fahrtgeschwin- digkeit unterlegen. Die Bewaffnung der AlFred entsprach numerisch auch annä-
hernd der der Sixth Rate-Fregatten (28 Kanonen), wobei die britischen Einhei- ten aber mehr 9-Pfünder als das amerika- nische Flaggschiff führten.
Amerikas erstes Flaggschiff
AlFred wurde am 3. Dezember 1775 im Hafen von Philadelphia feierlich in Dienst gestellt. Der erfahrene Handelskapitän und Milizoffizier Dudley Saltonstall wurde zum Kapitän ernannt. Als bislang größtes und kampfstärkstes Schiff der amerika- nischen Kontinentalmarine wurde Al- Fred Flaggschiff des ersten Geschwaders unter Kommodore Esek Hopkins. Dickes Eis auf dem Fluss Delaware hin- derte das Geschwader bis Mitte Februar 1776 am Auslaufen. Die erhoffte Gele- genheit, die britischen Munitionsschiffe abzufangen, wurde verpasst. Als neues Ziel des Jungferneinsatzes des Geschwa- ders wählte Kommodore Hopkins Nassau auf der Bahamas-Insel New Providence, wo ebenfalls große Bestände an Schwarz- pulver gelagert wurden. AlFred wurde durch nunmehr sieben weitere Schiffe begleitet. Vor Ort angekommen, hielten AlFred und die anderen größeren Einhei- ten Abstand zur Uferzone, während drei leichtere Schiffe am 3. März Boote mit den Landungstruppen aussetzten. Die Marine- infanteristen und Matrosen nahmen die Stadtbefestigungen ohne nennenswerten Widerstand ein. Zwar hatte der britische Gouverneur den größten Teil der Pulver- bestände bereits in Sicherheit gebracht,
Lithografie der AlFred sowie der übrigen Schiffe des ersten Geschwaders im Hafen von Philadelphia, Ende 1775
Mit 43 m Länge, 9,8 m Breite und 4,6 m Tiefgang war AlFred das größte der ers- ten vier Kampfschiffe der jungen ameri- kanischen Flotte.
Die Einordnung des Schiffes bleibt aller- dings bis heute umstritten. In offiziellen amerikanischen Unterlagen und Berichten der 1770er-Jahre wird AlFred zumeist als „Kriegsschiff“ oder „Schiff“ bezeichnet, vereinzelt aber auch als „Fregatte“. Es war in dieser Ära nicht ungewöhnlich, ameri- kanische Vollschiffe, die größer als eine
Hissen der als „Continental Union Flag“ bezeichneten (inoffiziellen) Nationalflagge der Vereinigten Kolonien auf der AlFred am 3. Dezember 1775 im Hafen von Phila- delphia. Diese Fahne diente 1775 bis 1777 als Seekriegs- und Garnisonsflagge der Kontinentalarmee und -marine und wurde im Juni 1777 durch die erste offizielle Stars and Stripes-Flagge ersetzt
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Foto: NHHC Foto: NHHC Foto: US Navy

