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Geschichte
nach Stockholm, wo sie 1785 den Garde- soldaten Anders Peter Hagberg heira- tete. Als dieser 1788 einberufen wurde, folgte sie ihm in den Kriegsdienst und war unter dem Pseudonym Petter Hagberg auf der von dem berühmten schwedischen Schiffsarchitekten Fred- rik Henrik af Chapman gebauten Fre- gatte styrbjörn sowohl an den Kampf- handlungen im Svensksund als auch an der Schlacht in der Wyborgbucht betei- ligt. Dabei kämpfte sie Seite an Seite mit ihrem Gatten und blieb unent- deckt, bis eine Verwundung bei Björ- kösund eine ärztliche Behandlung erfor- derte und ihr wahres Geschlecht offen- barte. Brita Hagberg sollte die Maske- rade nicht zum Nachteil gereichen. Sie wurde vom schwedischen König mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet und erhielt auf Empfehlung des Komman- danten der Schärenflotte Carl Olof Cronstedt eine Militärrente. Ebenso ungewöhnlich war, dass man ihr nach dem Krieg das Privileg einräumte, auf dem Stockholmer Oxtorget mit Lebens- mitteln zu handeln. 1828 widmete ihr die schwedische Dichterin Euphrosyne alias Kristina Julia Nyberg das Gedicht „Fruktmånglerskan med Tapperhetsme- dalj“ (Die Obstverkäuferin mit der Tap- ferkeitsmedaille). Darin schilderte die Poetin das Leben Hagbergs, die aus Liebe zu ihrem Mann als Mann zur See fuhr. Brita Christina Hagberg starb am 19. März 1825.
Anna Maria Jansdotter Engsten
Ebenfalls vom König für ihre Verdienste im Schwedisch-Russischen Krieg aus- gezeichnet wurde die aus Färnebo in
Västmanland stammende Anna Maria Engsten. 1762 geboren, folgte auch sie ihrem Ehemann, dem damaligen Kapitän des königlichen Flottenge- schwaders und späteren Major Paul H. Scharff, 1790 in den Krieg, wobei sie sich als Dienstmädchen des Kapitäns der schwedischen Flotte G.A. Leijonan- cker verdingte. Während des Rückzugs von Wyborg und Björkösund wurde das Schiff, auf dem sie reiste, vom Feind atta- ckiert und so schwer beschädigt, dass die Besatzung beschloss, es zu verlas- sen und auf ein Rettungsboot umzustei- gen. Allein Anna Maria weigerte sich, von Bord zu gehen, und entschied, das ram- ponierte Fahrzeug auf eigene Faust in Sicherheit zu bringen. Es war insofern eine Glanzleistung, als die Besatzung zuvor alle Segel eingeholt hatte und es Engsten gelang, diese im feindlichen Kugelhagel mit eigener Kraft auf Halb- mast zu ziehen. Zudem brachte sie das ansonsten von zwei Männern bediente Ruder unter Kontrolle und stopfte die
Löcher in der Bordwand mit ihren Klei- dern. Auf diese Weise langte sie nach 7 bis 8 Meilen gefahrvoller Fahrt nachts an der schwedischen Küste an und ging in der Nähe von Svensksund vor Anker. Bis zuletzt stand ihr Schicksal auf Mes- sers Schneide. Kurz vor ihrer Ankunft drohte eine Sturmbö ihr Schiff zum Ken- tern zu bringen, auch hatte auf der letzten Etappe eine russische Fregatte die Ver- folgung aufgenommen, war aber glück- licherweise auf Grund gelaufen, bevor sie mit ihren Geschützen ernsthaften Scha- den anrichten konnte. Als König Gustav III. von dem Vorgang erfuhr, verlieh er Anna Maria Engsten die Tapferkeitsmedaille in Silber und zahlte ihr eine Rente von 50 Reichstalern. Neben Brita Christina Hagberg erhielt nur die couragierte Ein- handseglerin damals eine Auszeichnung für Tapferkeit auf See. 7
Text- und Abbildungsnachweis
Wilhelmina Stålberg, Anteckningar om svenska qvinnor, Stockholm 1864; Dorothea Maria Lösch, Ölgemälde von Isak Wacklin 1765, Wikipedia (Sjöhisto- riska Museet Stockholm?);
Johan Tietrich Schoultz, Schlacht am Svensksund 9./10. Juli 1790 (Battaiile uti Svensksund, Emellan Kongl. Swenska och Kejserliga Ryska Skjärgårds Flottorne), Ölgemälde, Sammlung Sjöhistoriska Museet Stockholm, Signatur S 1825; Johan Tietrich Schoultz, Ausbruch aus der Bucht von Wyborg am 3. Juli 1790 (Retrai- ten från Viborg d. 3 juli 1790), Ölgemälde, Sammlung Sjöhistoriska Museet Stock- holm, Signatur O 03936;
Fregatte Styrbjörn (Hemmema Styrb- jörn), Schiffsmodell, Abbildung in der Sammlung Sjöhistoriska Museet Stock- holm, Signatur O 00034
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