Page 26 - LL 7-8/2025
P. 26

Mensch.Schifffahrt.Meer.
MS MuRten –
Vor 100 Jahren von Stapel gelaufen
Schiffsrarität mit wechselvoller Geschichte in den Schweizer Alpen
Peer Schmidt-Walther
Wer hätte das gedacht, dass die hindenBurG aus Stralsund immer noch schwimmt. Bei einer Tour durch die Schweiz wurde sie kürzlich wiederent- deckt: ein 21,60 m langes, 4,42 m breites und 1,35 tief gehendes 34-t-Motorschiff. Es wurde 1925 unter der Bau-Nummer 480, angetrieben von einem Leipziger DWM-Diesel von 50 PS für 8 kn, zu einem Preis von 20 000 Mark für Carl Schrö- der junior auf der Stralsunder Werft von Georg Schuldt gebaut. Sie lag dort, wo die Königliche und spätere Staatswerft Stral- sund, der VEB Schiffs- und Reparaturwerft
und seit der Wende die Strahlwerft an der Ziegelstraße ihre Anlagen hatten.
In Stralsund wurde das Fahrgastschiff auf den Namen hindenBurG getauft, musste dann aber nach Schwerin überführt wer- den. Das ging nur über die Ostsee. Am 8. Mai 1925 war die See so ruhig, dass man den Sprung – mit Zwischenstationen in Warnemünde und Travemünde – wagen konnte. Über die Trave und den Elbe- Lübeck-Kanal wurde elbaufwärts Dömitz angesteuert, auf der Müritz-Elde-Wasser- straße und dem Störkanal schließlich am 23. Mai der Schweriner See.
Namenskarussell
Während der Kriegszeit 1940 bis 1945 wurde das Schiff stillgelegt. 1946 passte der Name hindenBurG – den trug der letzte Reichspräsident – nicht mehr in die politische Landschaft. Fortan hieß der schneeweiße Ausflugsdampfer schwerin (III). Bis 1949 mit der Gründung der DDR neue Herren das Sagen hatten. Weil man dem „großen Bruder“ im Osten einen Gefallen tun wollte, wurde auch schwe- rin am 9. September 1950 gekippt, sow- jetFreundschaFt prangte nun am Steven. Bis zur Wende, dann war auch dieser ungeliebte Schiffsname obsolet gewor- den. mecklenBurG sollte es dann sein. Passte ja auch zum neuen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern mit Regie- rungssitz im Schweriner Schloss. Schon in den 80er-Jahren überlegte man beim VEB Weiße Flotte, das Schiff als techni- sches Denkmal zu erhalten.
Doch der Oldie blieb in Fahrt. Bis sich 2012 ein Käufer aus Baden-Württemberg für das kleine, solide Schiffchen interes- sierte. Natürlich war das wieder mit einem Namenswechsel verbunden: liselotte von der PFalz hieß die alte hindenBurG nun. Auf eigenem Kiel mit neuem 130-kW-Deutz- Diesel und Bugstrahlruder dampfte die badische Crew mit 12 bis 14 km/h Hun- derte Kilometer quer durch Deutschland bis zum Neckar. Heidelberg prangte als neuer Heimathafen am Heck.
2016 schließlich entdeckte Dr. Beat Schär, Schweizer Luftwaffen-Oberst, Jet-Pilot im Ruhestand und Schiffsführer sowie Eigner der Reederei OLAGOMIO AG (www.ola- gomio.ch), den Oldtimer. Weil seine Frau Jeannine sich auf Anhieb in den „Damp- fer“ verliebte, kaufte Beat ihn. Neues Ein- satzgebiet: Murten-, Neuenburger- und Bielersee, die zu den Jura-Seen nahe der Schweizer Hauptstadt Bern gehören. Dies- mal wurde der Rhein bis zum Ende seiner Schiffbarkeit hinter Basel befahren, den Rest erledigte dann ein Tieflader.
Die MS HindenBurg auf dem Schweriner See
MS soWjetfreundsCHaft zu DDR-Zeiten im Einsatz 26 Leinen los! 7-8/2025
Fotos: Klaus Koppermann (3)


































































































   24   25   26   27   28