Page 39 - Leinen los 7-8/2024
P. 39
Die Katastrophe, angeblich durch eine Mine oder einen Torpedo ausgelöst, kostete 266 Menschen das Leben und ver-
anlasste die US-Regierung, dem Königreich auf der Iberischen Halbinsel den Krieg zu erklären. Die Begebenheit kam Washing- ton gerade recht. Denn mit dem Zwischen- fall konnten die USA erstmals eine expan- sive Strategie gegenüber anderen Koloni- almächten erfolgreich umsetzen und nach Abschluss der innenpolitischen Konsolidie- rung durch den Sieg gegen die Südstaa- ten ihren Status als Großmacht begrün- den. Der Untergang der maine war für sie dabei nur ein Vorwand. Bereits während der drei kubanischen Unabhängigkeitskriege 1868–1898 hatte die US-Regierung ein Auge auf Kuba geworfen und wegen der angeblichen Gefährdung amerikanischer Geschäftsleute mit einer militärischen Inter- vention gedroht. Ebenso waren die zum spanischen Kolonialbesitz gehörenden Philippinen für sie interessant, da die Insel- gruppe im Westpazifik eine wichtige Rolle im Handel zwischen Ostasien und Latein- amerika spielte. So ist es kaum verwunder- lich, dass im Vorfeld des Spanisch-Amerika- nischen Krieges vom US-Militär Landungs- und Eroberungsszenarien durchgespielt wurden und man sich obendrein der Unab- hängigkeitskämpfer in Havanna und Manila zur moralischen Rechtfertigung einer Inva- sion bedienen konnte. Der eigentliche Krieg dauerte dann nur wenige Monate. Er endete mit Inbesitznahme Kubas, Puerto Ricos, Guams und der Philippinen durch die USA und raubte Spanien die letzten bedeu- tenden überseeischen Besitzungen.
Die USA hätten allerdings besser daran getan, den Untergang der USS maine nicht hochzuspielen. Das 1888/89 auf der New York Naval Shipyard gebaute und ursprüng- lich als Panzerkreuzer klassifizierte Schlacht- schiff II. Klasse war unter seinem Komman- danten Captain Charles Dwight Sigs-
bee nämlich nicht zum Vergnügen nach Havanna geschickt worden. Vielmehr sollte seine Präsenz die Spanier einschüchtern, zumal das Schiff zwar offiziell mit freund- schaftlichen Absichten, in Wirklichkeit aber kriegsmäßig mit scharfer Munition an Bord im Hafen vor Anker ging. Das war am 25. Januar 1898. Was sich bis zu der Explo- sion am Abend des 15. Februar auf spa-
nischer Seite abspielte, ist Spekulation, jedenfalls wurden von der Schiffsführung der maine keine verdächtigen Operationen bemerkt, die ein Anbringen eines Spreng- satzes an der Bordwand ermöglicht hätten. Fest steht, dass das Schiff an jenem Abend um 21:40 Uhr von einer gewaltigen Deto- nation erschüttert wurde und binnen kur- zer Zeit sank. Sigsbee meldete den Vorfall umgehend an den US-Marineminister John D. Long. In seinem Telegramm hob er her- vor, dass ein spanisches Kriegsschiff Ver- wundete an Bord genommen hätte und General Solado, ein Stellvertreter des spa- nischen Gouverneurs von Kuba, und meh- rere spanische Offiziere bei ihm gewe- sen seien, um ihm ihr Mitgefühl auszudrü- cken. Diese Begebenheit erwähnte Sigs- bee auch in einem Brief an seine Frau Eliza
am Tag nach dem Zwischenfall. Demnach kamen auch der Gouverneur und der Bür- germeister von Havanna persönlich zu ihm ins Hotel und erörterten, wie man den Toten die letzte Ehre erweisen könne. Angesichts dieser Beileidsbekundungen erscheint es wenig glaubhaft, dass die Katastrophe auf ein spanisches Attentat zurückging, den- noch wollte Sigsbee sich zur Ursache der Explosion nicht äußern. Er habe zwar seine eigene Meinung dazu, erklärte er seiner Frau, doch müsse man abwarten, bis die Sache „offiziell“ sei.
Offiziell wurde die Angelegenheit ziem- lich rasch. Allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eine erste Untersuchung am Unglücksort führte eine spanische Kom- mission unter der Führung der Marineoffi- ziere Del Peral und De Salas durch. Sie kam zu dem Schluss, dass die Explosion durch Selbstentzündung des Kohlenbunkers und Übergreifen des Feuers auf die benachbar- ten Munitionsdepots verursacht wurde, eine Vermutung, der sich im Wesentlichen eine von US-Admiral Hyman G. Rickover beauftragte Untersuchungskommission im Jahr 1974 anschloss.
Im Unglücksjahr vertraten die Amerikaner indes eine vollkommen andere Meinung. Das von ihnen unmittelbar nach dem Zwi- schenfall eingesetzte Untersuchungsge- richt unter der Leitung von Captain William T. Sampson (Sampson Board) kam nach verschiedenen Zeugenbefragungen und Tauchgängen zu dem Ergebnis, dass die maine von einer Mine in die Luft gesprengt
Geschichte
Ein willkommener Kriegsanlass Der Untergang der USS maine
Andreas von Klewitz
Immer wieder haben Großmächte zweifelhafte Anlässe dazu genutzt, unliebsame Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. So war es auch im Fall des amerikanischen Schlachtschiffs USS MaiNe, das 1898 im Hafen von Havanna explodierte.
Leinen los! 7-8/2024 39