Page 40 - Leinen los 7-8/2024
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Geschichte
worden sei, wofür nicht zuletzt der nach innen gebogene Kiel spreche. Die Spanier waren verständlicherweise beunruhigt. Auf Anraten ihres Kolonialministers schlugen sie die Einrichtung einer gemeinsamen spa- nisch-amerikanischen Untersuchung vor, um jeden Verdacht aus dem Weg zu räumen. Eine solche kam jedoch nicht zustande. Viel- mehr musste mehr als ein Jahrzehnt verge- hen, bis man sich nochmals mit dem Unglück befasste. 1910 wurde ein weiteres amerika- nisches Untersuchungsgericht eingerichtet und nach Havanna geschickt. In der Folge wurden die restlichen Leichen geborgen, das Wrack der maine freigelegt und vor sei- ner feierlichen Versenkung im März 1912
von einem Untersuchungsgericht unter der Leitung von Konteradmiral Charles E. Vreeland (Vreeland Board) in Augenschein genommen. Abermals gelangte man zu der Überzeugung, dass äußere Einwirkung die Explosion verursacht habe, eine Theorie, die jedoch nicht nur von der Rickover-Kommis- sion, sondern 2002 auch in einer vom Dis- covery Channel produzierten „Unsolved History“-Dokumentation angezweifelt wur- de. Diese kam anhand von Fotos, Aussagen von Fachleuten und Archivinformationen zu einem ähnlichen Ergebnis wie die spanische Kommission von 1898, nämlich, dass die Ursa- che der Katastrophe ein Kohlenbunkerbrand war, welcher aufgrund einer Schwachstelle in der Trennwand zwischen Kohlen- und Pulver- bunkern zur Explosion führte.
Aber zurück ins Jahr 1898. Ungeachtet der unterschiedlichen Untersuchungser- gebnisse und der Bereitschaft der spa- nischen Behörden, vor Ort zu helfen und das Unglück mittels einer bilateralen Kom- mission aufzuklären, wurde das Ereig- nis von der US-Presse als spanischer Ter- roranschlag hingestellt. Die Regierung in Washington unter US-Präsident William McKinley schloss sich dieser Auffassung an. Am 19. April 1898 forderten das Repräsen- tantenhaus und der Senat den Abzug der Spanier aus Kuba, am 23. April folgte die Kriegserklärung der USA an das Königreich, nachdem Spanien sich geweigert hatte, dem Ultimatum Folge zu leisten. Eingeleitet wurde der amerikanische Feld- zug mit einem Vorstoß auf die Philippinen und der Versenkung des dort stationierten spanischen Geschwaders. Im Juli 1898 lan- deten US-Truppen auf Kuba und versenkten innerhalb eines einzigen Tages die gesamte spanische Atlantikflotte. Wenn nun aber die Unabhängigkeitsbewegungen auf Kuba und den Philippinen hofften, mit Hilfe der USA nationale Selbstständigkeit zu erlangen, hat- ten sie sich gründlich verschätzt. Als am 12. August 1898 der Krieg mit der Unterzeich- nung des sogenannten Vorfriedensproto- kolls in Washington für die USA siegreich zu Ende ging, wurde den Rebellen keinerlei Mitspracherecht eingeräumt. Im Gegenteil – sie durften weder Havanna noch Manila betreten, da die US-Regierung Separations- verhandlungen mit Spanien befürchtete. Zu den Verlierern des Krieges gehörte nicht zuletzt der Kommandant der maine, Charles Dwight Sigsbee. Während der Schlachtruf „Remember the maine, to hell with Spain“ den Konflikt martialisch flankierte und Schiff und Kapitän auf patriotischen Souvenirtel- lern, Tassen und Silberlöffeln verewigt wur-
den, musste der am 16. Januar 1845 in Albany, New York, geborene Marineoffizier eine peinliche Untersuchung über sich ergehen lassen, in deren Verlauf man ihn für den Unter- gang der maine verantwortlich machte und ihm vorwarf, nicht die notwendigen Maßnah- men zur Sicherung seines Schiffes ergriffen zu haben. Dabei half ihm weder sein verbürgt couragiertes Eingreifen am Unglücksort noch der Umstand, als letzter das sinkende Schiff verlassen zu haben.
Sigsbee wurde auf den Hilfskreuzer USS St. pauL versetzt, was einer Degradierung gleichkam. Mit dem ausgedienten ehemali- gen Passagierschiff nahm er an der Blockade Kubas teil, ein Kommando über ein Kriegs- schiff sollte er zeitlebens nicht mehr erhal- ten. 1903 zum Rear Admiral (Konteradmiral) ernannt, wurde er 1907 in den Ruhestand ver- setzt. Kein rühmliches Ende für einen Men- schen, der einst am amerikanischen Bürger- krieg teilgenommen hatte, Lehrer an der Marineakademie gewesen war und sich vor dem maine-Zwischenfall bei der Erforschung und Kartographierung des Meeresbodens verdient gemacht hatte. Für seine wissen- schaftlichen Leistungen hatte ihm immerhin der deutsche Kaiser Wilhelm I. den Roten Adlerorden verliehen. Zudem sind die von ihm entwickelte Sigsbee-Lotmaschine und die Sigsbee-Deep im Golf von Mexiko nach ihm benannt, und auch ein Zerstörer der FLetcHer-Klasse trug im Zweiten Weltkrieg seinen Namen. Charles Dwight Sigsbee starb am 13. Juli 1923 in New York. Er ist auf dem Nationalfriedhof Arlington (Arlington National Cemetery) beigesetzt, wo auch 229 Mitglieder der maine-Besatzung ihre letzte Ruhe fanden. An ihr Schicksal erinnert das aus einem geborgenen Mast des Schlacht- schiffs bestehende USS maine Memorial, ein weiteres Denkmal befindet sich im Park der Marineakademie in Maryland. 7
uss maine
Schiffstyp
Schlachtschiff II. Ranges der US Navy, ursprüng- lich als Panzerkreuzer klas- sifiziert
Bauwerft
17. Oktober 1888
Kiellegung
17. November 1888
Stapellauf
18. November 1889
Indienststellung
17. September 1895
Verbleib
Am 15. Februar 1898 infol- ge Explosion im Hafen von Havanna/Kuba gesunken
Länge × Breite
98,9 m (Lüa) × 17,4 m
Tiefgang
max. 6,9 m
Verdrängung
6789 t
Besatzung
374 Mann
Maschinenanlage
8 Dampfkessel,
2 Verbundmaschinen, Maschinenleistung 9293 PS
Höchst- geschwindigkeit
16,45 kn
Propeller
2
Reichweite
3600 sm bei 10 kn
Bewaffnung
2 Doppelkanonen 254 mm, 6 Kanonen 152 mm,
7 Kanonen 57 mm,
4 Hotchkiss-Revolverka- nonen 37 mm, 4 Driggs- Schroeder-Geschütze,
4 Kal. .45-70 Gatling-Repe- tiergeschütze, 4 Torpedo- rohre Ø 457 mm
Panzerung
Gürtel: 305 mm, Deck: 51–76 mm, Türme: 203 mm, Kommandoturm: 254 mm, Schotten: 152 mm
Abbildungsnachweis:
S. 37 Mitte:
Foto Rear Admiral Charles D. Sigsbee, ehem. Kommandant der USS maine: Copyright Chas. L. Ritzmann, in: Fran- cis Joseph Reynolds/C.W. Taylor (photos): The United States Navy from the Revolution to Date, Publishers P.F. Collier & Son, New York 1917
S. 37 rechts:
Foto Souvenirlöffel USS maine und Captain Sigsbee: v. Klewitz
S. 38 links oben:
Foto USS maine: Copyright F. Muller/ Office of Naval Records and Library, in: Francis Joseph Reynolds/C.W. Taylor (photos): The United States Navy from the Revolution to Date, Publishers P.F. Collier & Son, New York 1917
Quelle: Wikipedia