Page 49 - Leinen los 7-8/2024
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MARITIME SICHERHEITSPOLITIK
From Seabed to Space?
Johannes Peters
Space and Maritime Domains in an Era of Disruption” und „The Multi-domain in 2024-25: From Seabed to Space”. Erstes ist das Oberthema eines einwöchigen Seminars, zwei- tes der Titel eines Panels auf einer Fachkonferenz, an denen der Verfasser an Bord war. Und auch darüber hinaus scheint der Themenkomplex an Bedeutung zu gewinnen. Der Satz „from seabed to space“ droht gar zu einer sicherheitspoliti- schen Floskel zu werden. Doch was genau verbirgt sich dahin- ter und wie sind die Begriffe im sicherheitspolitischen Kontext miteinander verbunden?
Multi Domain ist eine Erweiterung des „Gefechts der verbun- denen Waffen“, also des teilstreitkraftübergreifenden Agierens auf dem Gefechtsfeld. Zusätzlich zu den klassischen Domänen Land, Luft und See werden mittlerweile der Cyber- und Infor- mationsraum sowie der Weltraum (Space) als eigene Domä- nen angesehen. „Multi Domain“ trägt daher diesem erweiter- ten Verständnis Rechnung sowie der zunehmenden Verflech- tung der Domänen untereinander.
Von vielen unbemerkt ist der Weltraum existenziell für unser aller Alltag geworden. Kein Blick aufs Smartphone zur Ori- entierung am Urlaubsort, kein Geldabheben am Automaten oder Bezahlen an der Supermarktkasse funktionierte ohne hochpräzise Geo- und Zeitdaten, bereitgestellt durch Satelli- ten. Der Weltraum wird immer intensiver genutzt. Insbeson- dere der erdnahe Orbit (zwischen 100 km und 400 km Höhe) ist längst nicht mehr die „unendliche Weite“ aus Raumschiff Enterprise. Eine Vielzahl von staatlichen und privaten Akteu- ren ist hier aktiv und die Zahl an Satelliten nimmt immer schnel- ler zu – zusammengefasst wird diese Entwicklung unter dem Begriff „New Space“. Dies führt zu einer Demokratisierung des Weltraums – war die Nutzung lange Zeit einem exklusi- ven Club weniger Staaten vorbehalten, so haben über kom- merzielle Dienstleister heute nahezu alle Zugang zu diesem global common. Die positiven Potenziale, vor allem auch für die Staaten des „globalen Südens“ sind vielfältig und können hier nicht alle aufgezählt werden.
Im Kontrast dazu stehen die sicherheitspolitischen Heraus- forderungen. Wann werden private Akteure und deren Infra- struktur ein legitimes Kriegsziel in einem Konflikt? Satelliten- technik ist per se „dual use“ – klassische non-Proliferations- konzepte greifen hier also nicht. Wo wird eine völkerrechtliche Normierung überhaupt verhandelt? Nur einige Schlaglichter zum weiteren Denkanstoß.
Was bedeutet das nun für das Maritime? Generell gilt, die Welt, und mit ihr die Ozeane, werden transparenter. Daraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten. Echtzeitlagebilder können hel- fen, maritime Verkehre besser zu überwachen und zu regeln und so die Sicherheit in vielbefahrenen Seegebieten zu erhö- hen. Illegale Fischerei kann erschwert oder vorsätzliche Mee-
resverschmutzungen auch auf hoher See detektiert und gege- benenfalls geahndet werden. Auch die Einrichtung und Über- wachung von Schutzzonen auf den Ozeanen wird erleichtert. Maritim-sicherheitspolitisch jedoch bringen die Entwicklungen zahlreiche Herausforderungen mit sich. Multi Domain Opera- tions erfordern den Austausch eines hochkomplexen Lagebil- des in Echtzeit. Moderne Satellitenkommunikation ermöglicht dies, kann aber gestört, beziehungsweise unterbrochen wer- den. Es stellt sich also die Frage, wie eine solche Kommunikati- onsinfrastruktur militärisch zu härten ist und welche Rückfallop- tionen im Falle eines Ausfalls bestehen. Die gestiegene Trans- parenz der Ozeane stellt Überwassereinheiten vor die Heraus- forderung, dass es praktisch keine sicheren Rückzugsräume mehr gibt. Der militärische Planer muss davon ausgehen, dass seine Überwassereinheiten zu jeder Zeit und an jedem Ort auf- geklärt werden können. Und hier kommt der Unterwasserraum ins Spiel. Die Wassersäule und der Meeresgrund (Seabed) ist der einzige Raum, in dem noch verdeckte maritime Opera- tionen möglich sind. Ihm kommt daher für zukünftige mari- time Konflikte eine Schlüsselrolle zu. Dabei erweitert sich seine Funktion über den klassischen Operationsraum hinaus hin zu einem alternativen Navigations- und Kommunikationsraum. Dies erfordert nicht nur eine sehr genaue geografische Kennt- nis des Unterwasserumfeldes, sondern auch die Installation verschiedenster Technologie bereits heute. Der Akteur, der im Konfliktfall den Unterwasserraum am schnellsten und umfäng- lichsten für sich zu nutzen weiß, wird einen entscheidenden operativen Vorteil haben. 7
Leinen los! 7-8/2024 49
Foto: ISPK


































































































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