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Geschichte
Musiker suchte, meldete er sich im März 1957 beim Leiter des Musikkorps der 1. Flottille in Peenemünde, Unterleut- nant Wilhelm Zivny. Roicks Vorspiel auf der Trompete überzeugte den Orches- terleiter. Am 24. April 1957 wurde Roick Mitglied des Musikkorps. Auf Empfeh- lung von Zivny absolvierte Roick am Theater Stralsund eine Ausbildung auf der Klarinette und dem Saxophon. Neben Auftritten in der 1. Flottille gab das Musikkorps Konzerte in den Ost- seebädern auf Usedom, u.a. zum Tag des Bergmanns der IG Wismut (1. Sonn- tag im Juli) in Zinnowitz. Am 1. März 1990 wurde Roick zum Oberfähnrich befördert. Ab August 1990 begann die stille Auflösung des Musikkorps. Roick schied nach 33 Dienstjahren im Septem- ber aus. Er durfte sein Musikinstrument mitnehmen, andere mussten es abge- ben. Roick gründete die „Streckenber- ger Musikanten“, benannt nach dem höchsten Berg auf Usedom. Die Band bestand aus elf Musikern, sechs kamen aus der VM.
SMK in Rostock
Das SMK der Seestreitkräfte leitete anfänglich FKpt Ludwig Schmidt, ehe- mals Militärmusikmeister in der Wehr- macht. Der Klangkörper bestand aus 44 Musikern mit zwei Offizieren. Von Anfang an dabei waren Stabsobermeister Rei- mer und Obermeister Kühn. Zum SMK gehörte eine Shantygruppe, dann Big Band. Unter Stabführung von Schmidt und FKpt Walter Hoffmann nahm das SMK eine imposante Entwicklung. Die Musiker spielten zu militärischen Zere- moniellen, Flottenbesuchen, Paraden, Hafentagen in Rostock und Stralsund. Neben „Geradeaus-Musik“ umfasste das Repertoire Klassik, Operette, Oper, Musical, historische Märsche, Schlager, Arbeiter- und Volkslieder. Die Combo war auf Tanzveranstaltungen sehr gefragt. Das SMK musizierte mit Solis- ten der Konzert- und Gastspieldirek- tion Rostock mit dem Programm „Auf Freundschaftskurs“ (1974 bis 1989). Das „Stimmungsboot“ der heiteren Muse mit der Besatzung des SMK und der Crew der „Rostocker Hafenbar“ (Horst Köpert, Hans Knauer, Rica Deus, Marita Roll) begeisterte landesweit das Pub- likum. Regisseur Jürgen Priebe arran- gierte die Titel. Die Texte schrieb Hans Krause.
Militärmusik ade
Zum Staatsbesuch des schwedischen Ministerpräsidenten Ingvar Carlsson am 23. Januar 1989 überraschte Erich Hone- cker mit der Mitteilung: die NVA wird um 10 000 Mann reduziert und der Verteidi- gungsetat um 10 % gekürzt. Die VM hatte 1050Planstellen„freizumachen“und450 Berufssoldaten zu entlassen. Das Straus- berger Ministerium erwog, die Dienst- gradgruppe der Fähnriche abzuschaffen. Das betraf u.a. die Militärmusiker. Die Ver- unsicherung gipfelte in der Devise: „Wer eine zivile berufliche Perspektive hat, kann gehen!“ Das Musikkorps der 4. Flottille in Warnemünde, unter Leitung von KKpt Otto Schmidt, wurde bereits 1986 aufge- löst. Die Musiker der 1. Flottille in Peene-
fahne) abschwört, hat bald nichts mehr, was ihm gehört!“ Die Aktion lief unter Zeitdruck. Der Material-Transit lief über Rostock nach Dresden. Einiges landete im zentralen Militär-Lager in Gross Mohr- dorf bei Prohn.
Unter Regie von KptLt Ralf Witte, der 1990 die Musikkorps der 6. Flottille in Dranske undanderOHSinStralsundleitete,liefdie Erfassung der materiell-technischen Aus- rüstung (Instrumente, Zubehör, Noten- material). Mit welcher Akribie dies an der OHS durchzogen wurde, belegt ein von Witte unterzeichnetes Dokument vom 8. September 1990. Gelistet wurden 78 Holzblas-, Blechblas- und Streichinstru- mente, 29 Stück Schlagzeug (Trommeln, Becken, Pauken), 66 elektro-akustische Anlagen (Verstärker, Mikrofone, Laut-
Combo 1. Flottille 1972, in der Mitte der Chef 1. Flottille, KptzS Hans Hofmann mit Posaune
münde mit ihrem Leiter, KptLt Hartmut Haker, erhielten vom Strausberger Abrüs- tungs-Ministerium den Entlassungsbe- scheid zum 30. September 1990. Das SMK Rostock verabschiedete sich Ende September 1990 von seinen Musikfreun- den mit einem Konzert im Klubhaus der Neptunwerft.
Schlussakkord
Vom VM-Kommando in Rostock kam Ende August 1990 die Anweisung, his- torisch wertvolles Material in der VM, darunter auch Musikmaterial zu erfas- sen und dem Armeemuseum in Dres- den zuzuführen. Der Autor war an dieser Erfassung an der OHS in Stralsund betei- ligt und hatte dabei kein gutes Gefühl. „Wer seiner Geschichte (u.a. Truppen-
sprecher) und 106 Stück Zubehör (u.a. 59 Pulte, Ständer, Klavierhocker). Der Irrsinn der peniblen Erfassung gipfelte in der Auflistung des Notenmaterials, 376 Lieder, 393 Märsche, 326 Tänze sowie Walzer, Ouvertüren, Hymnen, Potpour- ris, Solostücke. Jedes Notenblatt wurde nachgewiesen, auch Fehlbestände. Offensichtlich schien die Stimmga- bel genauso wichtig wie jede Patrone einer MPi. Ebenso akribisch lief unter Witte die Erfassung des Musikmateri- als in Dranske. In deren Bestand befan- den sich zehn sehr wertvolle Wurlitzer Klarinetten. Diese vorwiegend für den Export in Erlbach (Musikwinkel im Vogt- land) gefertigten Holzblasinstrumente konnten nur über einen Freigabeschein des MdI in Berlin und mit einer Warte- zeit bezogen werden.
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Foto: Archiv Roick