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Der FDR zeichnete sich Werftangaben zufolge im Vergleich zur Reaktoranlage der sAVAnnAh durch mehrere fortschritt- liche Merkmale aus. So waren zur Erzie- lung einer kompakten und sicheren Bau- weise die Wärmetauscher innerhalb des Reaktordruckgefäßes angeordnet. Durch diese Lösung bildeten Druckgefäß, Wär- metauscher und Primär-Umwälzpumpen eine Einheit, was nicht nur raum- und gewichtssparend war, sondern auch die Gefahr von Beschädigungen von außen verringerte. Bei dieser Anordnung konnte
außerdem die Leistung der Primär- Umwälzpumpen im 80 % gegenüber ver- gleichbaren Anlagen gleicher Bauweise reduziert werden. Neu war auch das Prin- zip der sogenannten „Selbstdruckhal- tung“. Hierbei wurde der dem Prinzip des Druckwasser-Reaktors eigene Sys- tem-Überdruck nicht durch ein außenlie- gendes besonderes Druckhalte-System erzeugt, sondern durch einen Dampfdom innerhalb des Druckgefäßes selbst.
Am 1. Februar 1968 ging der Neubau, noch unter Dampf aus der ölgefeuerten Dampf- kesselanlage für den Notbetrieb, auf seine erste Werftprobefahrt und wurde nach Abschluss weiterer Erprobungen an den Auftraggeber abgeliefert. Ende März/ Anfang April wurden die Brennelemente an Bord gebracht und in die Reaktoran- lage eingesetzt. Dann wurde der Reaktor stufenweise angefahren und auf Fahrten zunächst in der Ostsee, dann auch in der Nordsee erforscht und erprobt.
Für die nach dem Ende der Erprobungen folgenden Reisen hatte die GKSS zusam- men mit EURATOM ein mehrjähriges For- schungsprogramm für die otto hAhn auf- gestellt. Dafür standen in dem großzügi- gen Aufbau auf dem Schiff neben Kabinen für bis zu 36 Forscher, ein Besprechungs- raum, zwei Labore, zwei Salons, diverse Messen und Empfangsräume für Reprä- sentationszwecke zur Verfügung.
Aber neben diesem Forschungspro- gramm sollte das Schiff auch reguläre Ladungsreisen durchführen, wobei ein wirtschaftlicher Einsatz von vornherein
Geschichte
Otto Hahn und Mitarbeiter im Leitstand des Schiffes
nicht erwartet wurde. Ziel dieser Ladungs- reisen war es, allgemeine Betriebserfah- rungen zu sammeln. Der Fahrterlaub- nisschein, mit dem das Befahren der Weltmeere genehmigt wurde, trägt das Datum 6. Februar 1969. Und damit begannen die unerwarteten Probleme. Denn nicht alle waren begeistert von dem ersten deutschen Frachtschiff mit Kernenergieantrieb, es gab viele Vorbe- halte gegen den „Atomfrachter“. Etli- che Staaten erlaubten dem Schiff nicht oder nur zögernd, ihre Häfen anzulau- fen oder sie verlangten Sicherheitsga- rantien der deutschen Regierung. Wich- tige Wasserstraßen, wie Suez- und Pana- makanal, durften überhaupt nicht pas- siert werden. Dennoch konnte die otto hAhn im Laufe ihres Lebens neben den wichtigsten deutschen Häfen 33 Plätze in 22 Ländern anlaufen, legte insgesamt 564 150 sm zurück und transportierte da- bei 776 000 t Ladung, vorwiegend Erz, Kohlen, Düngemittel oder Getreide. Die Bereederung erfolgte durch die GKSS. Erster Kapitän des Schiffes war von 1969 bis 1974 der hochdekorierte ehemalige U-Bootkommandant der Kriegsmarine Heinrich Lehmann-Willenbrock (1911– 1986), dem auch eine erfolgreiche Karriere nach dem Krieg gelungen war. Ihm folgte bis zum Schluss Kapitän Ralf Matheisel. Doch das soweit im Vorgriff. Zunächst ging die otto hAhn, nachdem sie seit 1968 rund 242 000 sm zurückgelegt hatte, Ende 1972 zum Hamburger Werk Ross der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW), um auf den ersten Wechsel der Brenn- elemente vorbereitet zu werden, der am 22. März 1973 durchgeführt wurde. Dabei wurde von Seiten der GKSS gegenüber einer Werftmitarbeiter-Zusammenkunft betont, dass es nicht nur darum gehen würde, die Brennelemente auszuwech- seln, sondern sie durch ein neu konst- ruiertes, verbessertes Core (Bündel von 16 Brennelementen) zu ersetzen, das wegen höherer Leistungsdichte wirt- schaftlicher sei. Das erfordere Umbauten im Druckbehälter, die unter erschwerten Bedingungen und besonders sorgfältig ausgeführt werden müssten und eine län- gere Zeit in Anspruch nehmen würden. Die GKSS hatte die Werftleitung gebe- ten, für die geplanten Arbeiten nur beson- ders gute Handwerker und zuverlässiges Personal einzusetzen. Dieses Personal müsse Verständnis für vielleicht manch- mal als zu eng erscheinende Vorschriften und Anweisungen haben. Solche Anwei-
Einsetzen der Brennstäbe
Leinen los! 3/2023 29
Foto: Hereon
Foto: Hereon


































































































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