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Geschichte
sungen seien aber besonders notwendig, weil eine Strahlenschädigung körperlich nicht wahrzunehmen sei. Alles ging gut und wurde nach Vorgaben der GKSS exakt ausgeführt. Auch die Werft zeigte sich zufrieden, da sie sich nach eigener Aussage durch diesen Brennelemente- wechsel außerordentliches Wissen aneig- nen konnte, über das nur ganz wenige Werften in der Welt verfügen würden.
Auch Hapag-Lloyd zeigte kurz vor dem Ende Interesse
Nach dem Wechsel der Brennelemente folgten weitere Reisen, noch immer begleitet von gewissen Vorbehalten, obwohl es über die ganzen Jahre noch keinen irgendwie gearteten auf die Kernenergie zurückzuführenden Vorfall gegeben hatte. Mitte der Siebzigerjahre begannen Gespräche zwischen der GKSS und der Reederei Hapag-Lloyd, die unter dem Eindruck der schweren Ölpreiskrise von 1973 begonnen hatte, sich mit den Möglichkeiten alternativer Brennstoffe auseinanderzusetzen. Dazu zählte auch die Kernkraft. Im Ergebnis beauftragte die GKSS Hapag-Lloyd, die Bereede- rung und Befrachtung der otto hAhn zu
Die otto hAhn im Trockendock
Übriggeblieben ist als Erinnerung an die otto hAhn ihr Schornstein. Er steht auf dem Gelände des Deutschen Schiff- fahrtsmuseums in Bremerhaven
Das Nuklearschiff in Hamburg
übernehmen. In ihrem Geschäftsbericht von 1976 begrüßte die Reederei dies als einmalige Möglichkeit, „Erfahrungen auf dem Gebiet des nuklearen Antriebs von Schiffen (zu) sammeln“. So stach die otto hAhn ab dem 18. März 1977, neun Jahre nach ihrer Jungfernfahrt, schließlich unter Hapag-Lloyd-Schornsteinfarben in See. Jedoch dauerte dieses Engagement nicht lange. Immer deutlicher kristallisierte sich heraus, dass mit dem Schiff ein wirtschaft- licher Betrieb nicht möglich sei, was ja Teil des Projekts gewesen war. So entschlos- sen sich die Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und GKSS, die otto hAhn nach 131 störungsfreien Reisen, davon 58 Forschungsfahrten, stillzulegen. Das Schiff wurde im Februar 1979 außer Betrieb gesetzt und danach erfolgte der Ausbau der kerntechnischen Anlagen. Die Stilllegung kostete insgesamt 46 Mio. DM, von denen entfielen allein 17 Mio. DM auf die Lagerung und Wiederaufbe-
reitung der Brennstäbe. Die otto hAhn war nicht nur das erste, sondern blieb auch das einzige europäische Handels- schiff mit Kernenergieantrieb. Auch ein ursprünglich geplantes Nachfolgeprojekt eines Containerschiffs mit diesem Antrieb wurde nicht mehr umgesetzt.
Damit war das so hoffnungsvoll begon- nene Projekt mit dem „Atomschiff“ zwar zu Ende, die otto hAhn existierte aber ohne ihren Kernenergieantrieb weiter. Nach Verkauf 1982 und Umbau zum Con- tainerschiff 1983 auf der Bremerhavener Rickmers Werft befuhr es noch unter ande- ren Namen für verschiedene Reedereien bis 2009 die Weltmeere. Erst dann wurde die ehemalige otto hAhn nach mehr- wöchiger Aufliegezeit in Abu Dhabi zum Abbruch in Bangladesch verkauft. Über die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrun- gen hinaus blieb das Schiff mit seinen gut 40 Lebensjahren ein gutes Zeugnis deut- scher Schiffbauqualität. 7
30 Leinen los! 3/2023
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