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Fregattenkapitän Ulrich Israel 1982
wart verärgert laut „Scheiße!“ rief. Jetzt wussten die Zuschauer, dass sind ja Deut- sche „Njemzyis“. Ähnlich amüsant schil- derte Israel Eindrücke über die monatlich anrückende weibliche Friseurbrigade. Während die Damen den Männern einen Kurzhaarschnitt verpassten, rätselten sie über deren Nationalität. Die konnten sich das Lachen über die Mutmaßungen kaum verkneifen. Die Männer lernten auch die Vielfalt des russischen Grütze-Gerichts „Kascha“ kennen. Abends fand ein dienst- lich organisierter „Feierabendspazier- gang“ in der Gruppe im zerstörten Kali- ningrad statt. Vorneweg und am Tampen marschierte ein Soldat mit einer Laterne oder Fähnchen im Sommer.
Offizier-Ernennung
Am 1. März 1953 erhielten die Männer ihre Ernennung zum Unterleutnant zur See. Alle bekamen die Litewka-Uniform mit einem Stern auf der Schulterklappe. Im Juli 1953 gab es den ersehnten Hei- maturlaub. Daran schloss sich das Prak- tikum in der Flottenbasis Ost in Peene- münde an. Die Seeausbildung erfolgte auf dem Hochsee- und Bergungs- schlepper wIsmAr. Auch Segeltouren mit dem Kutter K-10 auf dem Peene- Strom gehörten zum Programm. Am 1. Mai 1954 folgte die Beförderung zum Leutnant zur See. Die Fragen zu den Abschlussprüfungen in Kaliningrad wur- den blind gezogen (russ. Billiett). Israel zog den Fragenkomplex zu Seeflieger- kräften. Das Thema beschäftigte ihn bis
zu seinem Dienstende. Nach bestan- dener Prüfung erteilte eine staatliche Kommission am 31. Juli 1954 den Absol- venten der Kommandantengruppe die Befähigung zur Zulassung als Komman- dant von Küstenschutzschiffen, Minen- leg- und Räumschiffen sowie großen und kleinen U-Jagdschiffen.
Dienstverwendung
13 Offiziere der Gruppe erlangten den Dienstrang KptzS im Kommando VM und Militärakademie Dresden. 5 wurden Admirale. 7 Offiziere promovierten zum Dr. rer. mil. 3 machten Karriere in der Deutschen Seereederei und als Militär- attaché. Einige quittierten aus gesund- heitlichen Gründen den Dienst. Leut- nant Israel wurde Kommandant eines Küstenschutzbootes. 1956 war er Navi- gations-Offizier in der MLR-Division der 3. Flottille (Sassnitz) dann 9. Flottille (Wol- gast). 1959 kam er ins Kommando der Seestreitkräfte. In der Unterabteilung Militärwissenschaft befasste er sich mit Studien zur Entwicklung der Seestreit- kräfte. Mit Eröffnung der „V. Fakultät Seestreitkräfte“ der Dresdener Militär- akademie am 3. Januar 1963 auf dem Dänholm wurde Israel Oberoffizier der Abteilung Militärwissenschaft. 1968 legte er sein Staatsexamen ab. 1971 zum FKpt befördert, arbeitete er von 1973–1982 im Kommando VM im Bereich Militärwis- senschaft. Am 1. Januar 1983 erhielt er seine Versetzung zum Militärgeschicht- lichen Institut der DDR in Potsdam. Er leitete die Fachgruppe „Seestreitkräfte, Geschichte NATO“. 1984 war er wissen-
schaftlicher Oberassistent in Zivil. Als die Sowjetunion 1988 ihre erbeuteten Marineakten mit diversem Archivgut an das Militärarchiv Potsdam übergab, widmete sich Israel den Akten des deut- schen Flugzeugträgers Graf Zeppelin, ein Schiff das nie fertiggestellt und am 25. April 1945 östlich vor Stettin versenkt wurde. 1992 endete seine Tätigkeit am MGFA Potsdam. Seine zuvor im Juli 1990 vorgelegte Dissertation „Marineflieger- kräfte in Deutschland“ wurde vom neuen Dienstherrn nicht angenommen. Dafür erschien 1991 im Brandenburger Ver- lagshaus sein Buch „Marineflieger einst und jetzt“. Mit Unterstützung von Prof. Peter Tamm (Hamburg) legte Israel 1994 zum einzigen deutschen Träger ein viel beachtetes Buch vor. Er veröffentlichte ca. 40 Marineaufsätze und Bücher.
Fazit
Mit der Aufrüstung und Ausbildung folgte die DDR den Weisungen Moskaus. Am 1. und 7. April 1952 diktierte Stalin der DDR-Führung (Pieck, Grotewohl, Ulbricht) in Moskau „militärische Leit- sätze“ für den Aufbau von Land-, Luft- und Seestreitkräften. Der „Sonderlehr- gang I“ folgte dem Machtkalkül, künftige Führungskräfte der Marine auf die sow- jetische Politik einzuschwören und die Offizierskader nach sowjetischen Vorstel- lungen auszubilden. KAdm Heinz Neukir- chen, Chef des Stabes, gehörte zu den ersten Führungskräften der Marine, die 1954/55 einen akademischen Studien- gang an der Seekriegsakademie in Lenin- grad absolvierten. 7
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Geschichte
Leinen los! 3/2023 27
Foto: privat


































































































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