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Geschichte
Einige der am 20. Dezember 1952 zum Unterleutnant ernannten Offiziere des 1. See- und Ing.-Lehrgangs erhielten ihre Kommandierung zur Sonderschule S 7. Hier erfuhren sie, dass sie bei der künf- tigen U-Bootwaffe gelandet waren. Die Ausbildung begann am 4. Januar 1953 mit vier Offiziersklassen zu je 10 Mann sowie von 400 Mann in Unteroffiziers- und Mannschaftsklassen. Zum Lehrper- sonal von 64 Offizieren und 63 Unteroffi- zieren gehörten kriegsgediente Offiziere und Fähnriche mit U-Boot-Erfahrung. Ca. 30 sowjetische Marineoffiziere dienten als Berater. Am 28. Juli 1953 erhielt die U-Boot-Lehranstalt den Auflösungsbe- fehl. Das U-Boot-Personal umfasste zu dem Zeitpunkt 53 Offiziere, 149 Unterof- fiziere und 280 Mannschaften.
Schiffsstammabteilung (SSTA, C 11)
Die im November 1950 in Zinnowitz und Ahlbeck gegründete SSTA wechselte ab 5. Januar 1951 nach Kühlungsborn und am 17. September 1953 nach Wolgast. Am 1. Oktober 1954 bezog die SSTA in Sassnitz-Dwasieden ihren Standort und ab 1. März 1956 wieder Kühlungsborn. Der Kommandeur, KptzS Willi Gerber, flüchtete als enttarnter Hochstapler am 18. April 1953 nach Westberlin (LL 4/2014). KKpt Kurt Lehmann wurde sein Nachfolger. 1953 erreichte der Perso- nalbestand 800 Mann. Der SSTA oblag die Grundausbildung und Durchführung von Sonderlehrgängen.
„Sonderlehrgang I“ in Kaliningrad
Am 19. Dezember 1951 befahl Gene- ralinspekteur (VAdm) Waldemar Ver- ner, die „Durchführung eines Sonder- lehrgangs für fachlich hochqualifizierte Offiziere der Seepolizei“ in der Sowjet- union. Am 4. Januar 1952 begann der 6-monatige Vorbereitungskurs „all- gemeine Offiziersausbildung“ an der SPS Parow. Unter Leitung von Seepo- lizei-Rat (KptLt) Werner Kubasch lern- ten 50 Seepolizisten (u.a. 4 Offiziere) die russische Sprache. Sie paukten Physik, Mathematik, Chemie und „Geschichte der KPdSU“. Zum „Sonderlehrgang I“ künftiger Seeoffiziere gehörte Seepo- lizei-Oberwachtmeister Ulrich Israel (Jg. 1932). Am 12. Januar 1952 hatte er sich beim Kommandeur der Seepolizei-
Seepolizei-Anwärter Ulrich Israel
Offiziersschule zu melden. Auf dessen Frage: „Sind Sie bereit, eine 2-jährige Seeoffiziersausbildung im Ausland zu absolvieren?“ willigte Israel ein. Eine Kommission mit Seepolizei-Inspekteur Steffens und Berateroffizier, Kapitän 1. Ranges (KptzS) Abramow, prüfte die Eignung der Kandidaten. Nach anfäng- licher Irritation wegen des Namens „Israel“ interessierte sich Abramow mehr für die Nachkriegsverwendung seines Vaters. Er diente bis 1947 in der deut- schen Minensuchorganisation GM/SA (German Minesweeping Administra- tion).
Geheimhaltung
Den „Sonderlehrgang I“ umgab der Nimbus strenger Geheimhaltung. Offizi- ell gab es ihn nicht. Im Sprachgebrauch lief der Lehrgang unter dem Pseudonym „Kubasch-Gruppe“, benannt nach dem Lehrgangsältesten. Die Geheimnistue- rei war überzogen. Aus dem Schreib- büro im Stabsquartier der HVS bzw. VP- See gingen Durchschriften von Anord- nungen und Befehlen an die westlichen Alliierten in Berlin. Im Büro arbeitende Damen „versilberten“ in Berliner Bars interne Schreiben in „DM“ an westli- che Tanzpartner in Uniform. Der Wes- ten erlangte auch Kenntnis vom „Son- derlehrgang I“. Der Rundfunksender RIAS in Westberlin verlas die komplette Namensliste der „Russlandfahrer“. Die undichte Stelle befand sich beim Lei- ter Personal, Chefinspekteur (KAdm) Richard Fischer. Sein Mitarbeiter, See- polizei-Rat Rath, setzte sich im Juni 1952 nach Westberlin ab. Er gehörte zur Kom- mission der Personal-Auswahl für den Sonderlehrgang.
Ankunft in Kaliningrad
Ende August 1952 begab sich die „Kubasch-Gruppe“ als Sportlerdele- gation in Zivil im Schlafwagen der sow- jetischen Bahn in Richtung Osten. In der Grenzstation Brest, mit Umspurung der Waggons von Normal- auf Breitspur, erfuhren die Männer von Abramow den Zielort der Reise: Kaliningrad. Aus dem zerstörten Königsberg in Ostpreu- ßen wurde nach dem Krieg die sowjeti- sche Exklave Kaliningrad. Der ehema- lige Schulkomplex „von der Goltz“ in Königsberg-Haberberg diente nun als „Lehranstalt für Seekriegslehrgänge“. Dort absolvierten die DDR-Marinekader den 22-monatigen Lehrgang. Im drei- stöckigen Hauptgebäude befanden sich zahlreiche Zimmer und Lehrkabinette, die Bibliothek, Küche und Speiseräume. Sanitärräume waren im Kellergeschoss. Zum Komplex gehörten eine Turnhalle, Sturmbahn, das Krankenrevier (Seiten- gebäude) und Schwimmbecken (Feu- erlöschteich). Das bewachte Areal lag neben der Katholischen Kirche „Zur Hei- ligen Familie“.
Nach ihrer Ankunft erfolgte die Ein- kleidung in russische Marineuniform (schwarz) ohne Dienstrangabzeichen. Zur Bekleidung gehörten u.a. dunkel- blaues Hemd mit Matrosenkragen, Wollhose, halblange Jacke mit Mes- singknöpfen, Schürschuhe, schwarzes Lederkoppel mit Messingschloss und Sowjetstern. Die 4 Offiziere trugen Litewka und Schirmmütze. Zur Begrü- ßung der Lehrgangsteilnehmer waren das Schulpersonal, Marine-Orchester und eine Wacheinheit angetreten. Das Orchester spielte u.a. deutsche Volks- lieder. Der Kommandeur hielt eine Ansprache. Vermutlich handelte es sich um den Kapitän 1. Ranges Trawkin (ex U-Boot-Kommandant). Er übernahm 1953 die Fachberatung in der U-Boot- Lehranstalt Sassnitz-Dwasieden. Nach- folger in Kaliningrad wurde Kapitän 2. Ranges (FKpt) Dubow.
Lehrprogramm
Die Ausbildung lief nach dem Muster sowjetischer Seeoffiziersschulen, in Kali- ningrad auf 2 Jahre verkürzt und ohne Flottenpraktikum. Das Studium fand in 5 Fachgruppen statt. Zur Kommandan- tengruppe gehörten 22 Mann. Jeweils 7 Mann bildeten die Gruppen Navigation,
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Foto: privat


































































































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