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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Zero Emission on port
Neue Schiffsgeneration: Technik- und Ladungsgiganten
Peer Schmidt-Walther
Was sind schon 5,8 km? Für heutige Entfernungsverhältnisse nicht erwähnenswert. Im Gespräch mit Kapi- tän Julius Jännäri jedoch bekommt die Zahl eine ganz andere Dimension, wenn er von Lademetern spricht. So lang näm- lich sind die Parkspuren auf den sechs Decks seines werftneuen Ro-Ro-Frach- ters Finneco II. Man stelle sich vor: das entspräche 400 hintereinander aufge- stellten Dreiachs-Sattelzug-Aufliegern. Die vorherige Generation der Finnbreeze- Klasse bringt es „nur“ auf 4200 m. Gerade wurde in der Schweiz der Welt- und Guinness-Buch-Rekord für den längsten Eisenbahnzug aufgestellt: vier Kilometer. Den könnte das 238 m lange und 34 m breite Superschiff eineinhalb- mal komplett schlucken: Wow!
Seetransport ist existenziell
Als vor 35 Jahren die damalige deutsch- finnische Reederei Finncarriers-Poseidon mit der Finnsailor seinen ersten Ro-Ro- Frachter einer neuen Generation vor- stellte, waren es gerade mal 2000 m. Im
MS Finneco II im Hafen von Kotka
Laufe der Jahre sollte immer mehr rol- lende Ladung über den schon seit der Hansezeit befahrenen Seeweg gehen. Auch spielt der eklatante Fahrerman- gel eine Rolle. Inzwischen werden mit 23 Schiffen bei 77 km Ladelänge bei wöchentlich 170 Abfahrten eine Million „Gummieinheiten“ pro Jahr auf den Routen zwischen Schweden, Finnland, Deutschland und Estland transportiert.
Finnlines hat mittlerweile ein Drittel die- ses gewaltigen Kuchens erobert. Zumal der Seetransport für das nordische Land existenziell ist. Ebenso die Vorhaltung einer leistungsfähigen und modernen Eisbrecherflotte, aller Klimaerwärmung zum Trotz. Zwei von ihnen, Fennica und norDica, liegen in Sichtweite, bereit für den kommenden Winter im Bottnischen und Finnischen Meerbusen.
Der blonde Finne Jännäri, 1981 in den USA geboren, lehnt sich genüsslich auf der Brücken-Couch zurück, schlürft sei- nen Kaffee und genießt den Moment. Auch den Anblick der letzten Schären von Kotka, die er erst in drei Wochen wiedersehen wird. So lange dauert eine Rundreise via Zeebrügge, Antwerpen bis ins nordspanische Bilbao.
Erfahrener Kapitän
Der zweite Chief Officer Harold Escano von den Philippinen hat Wache und stellt jetzt das Ruder auf Automatik- Kurs um. Die Displays mit ihren Kon- troll- und Warnanzeigen lässt er fortan nicht mehr aus den Augen. Vier Stun- den volle Konzentration auf das Hier und Jetzt, während Jännäri den Blick in die Vergangenheit richtet. Schon als kleiner Junge konnte er sich für Boote begeistern, lernte schnell segeln, leis-
Die riesige Heckklappe mit den drei Rampen
26 Leinen los! 1-2/2023
Fotos: psw (9