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Maritime Sicherheitspolitik
das globale geopolitische Lagebild durch zunehmende Spannungen gekennzeich- net. Dieses gilt auch für die Lage auf See. Lassen Sie mich exemplarisch einige wesentliche Aspekte hervorheben: China
Die Rolle Chinas wandelt sich, vom Partner für Kooperation und wirtschaftliche Zusam- menarbeit hin zu einem Wettbewerber und systemischen Rivalen. Wir beobachten eine enorme technologische Aufrüstung der chinesischen Streitkräfte und eine zuneh- mende Dominanz Chinas, insbesondere gegenüber Taiwan und im Südchinesischen Meer. Mit rund 350 Schiffen und Untersee- booten verfügt China bereits heute über die größte Kriegsmarine weltweit. Dieses führt zu einer Asymmetrie im Kräfteverhält- nis zwischen EU und China und hat Auswir- kungen auf regionale und globale Sicher- heit. Diese Entwicklung erfordert eine Neu- bewertung unserer Beziehungen zu China und ein einheitliches Vorgehen.
Russland
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wirkt sich auf ganz Europa aus und bedroht StabilitätundSicherheitauchbeiuns.Bes- tes Beispiel sind steigende Energiepreise durch Abhängigkeit in der Energieversor- gung von russischem Erdgas. Kurzfristig Alternativen für Erdgas zu finden ist mög- lich,aberteuer,wennErdgaskurzfristigam sogenannten Spot-Markt anstatt auf Basis langfristiger Lieferverträge eingekauft werden muss. Biogas aus heimischer Pro- duktion kann kurzfristig nicht die gesamte Nachfrage an Erdgas decken. Flüssiggas ist eine Alternative zum leitungsgebunde- nen Transport von Erdgas. Flüssiggas muss aber auf dem Seeweg zu uns verfrachtet werden. Ergebnis sind steigende Preise, die die Verbraucher belasten. Russland hat somit seine Energiepolitik als „Waffe“ ins- trumentalisiert.
Indien
Indien nimmt im Indo-Pazifik eine beson- dere Rolle ein. Einerseits pflegt Indien mili- tärische Beziehungen zu Russland. 2022
Fregatte BAyern im Indo-Pazifik
hat sich Indien – ebenso wie China und Weißrussland – am russischen Militärma- növer „Wostok“ beteiligt. Andererseits hat Indien am Manöver „Pitch Black“ in Australien als Partner westlicher Staaten teilgenommen. An dem Manöver waren auch NATO- und ASEAN-Staaten sowie Mitgliedsländer des sogenannten Quad- Bündnisses aus USA, Australien, Japan und Indien beteiligt. Auch wenn Indien westlichen Partnern eine höhere Priori- tät einräumt, pflegt es Handels- und Ver- teidigungsbeziehungen zu Russland. Vor dem Hintergrund der Intensivierung der russisch-chinesischen Beziehungen müs- sen wir diese geopolitische Ausrichtung Indiens kritisch beobachten.
Afrika (maritim)
Afrika ist für Europa von strategischer Bedeutung, steht aber als Kontinent vor großen Herausforderungen.
y Afrikas Ressourcenreichtum beinhal-
tet Potenzial für Wachstum, gleichzei- tig führen Ungleichverteilungen zu sozi- alen Spannungen und fördern Terroris- mus und Piraterie.
y Afrika ist kein homogener Kontinent: Afrika ist gekennzeichnet durch eine Fragmentierung von Interessen, ver- bunden mit fehlender Stabilität insbe- sondere im Sahel und in Zentralafrika.
y DasEngagementRusslandsundChina einerseits und westliche Bemühungen in der entwicklungspolitischen Zusam- menarbeit andererseits führen zu einer geopolitischen Konkurrenz in Afrika: Russlands indirekte Präsenz z.B. in Mali und der Zentralafrikanischen Republik durch die Wagner-Gruppe stellt eine Bedrohung für das Engagement des Westens dar. China bindet afrikanische Länder systematisch an sich durch Ver- gabe von Krediten und Investitionen in Infrastruktur, bei gleichzeitiger Schaf- fung von Abhängigkeiten und einem Aufkauf von Land zur Sicherung des Zugangs zu Ressourcen und Rohstof- fen, insbesondere Seltenen Erden.
Maritim gesprochen:
y Die Blockade des Suezkanals durch das
Containerschiff ever given in 2021 hat deutlich gemacht, wie sehr die Waren- ströme von dieser Schifffahrtsroute abhängen.
y Im zentralen Mittelmeer konzentrie- ren sich die Bemühungen der EU auf die Überwachung des Waffenembar- gos gegen Libyen. Gleichzeitig haben wir es dort immer noch mit Flüchtlings- strömen zu tun. Das Flüchtlingshilfs- werk UNHCR hat ermittelt, dass zwi- schen Januar und August 2022 schät- zungsweise 940 Menschen die Über- fahrt übers Mittelmeer nicht überlebt haben oder vermisst werden. Die Ret- tung auf See ist ein humanitärer Impe- rativ und eine Verpflichtung nach dem Völkerrecht.
y Im östlichen Mittelmeer treffen unter- schiedliche Interessen aufeinander: Exploration vorhandener Rohstoffe einerseits sowie weiterhin bestehende territoriale Konflikte zwischen Griechen- land, der Türkei und Zypern anderer-
Indien ist ein wichtiger Player in der Region Indo-Pazifik
Leinen los! 1-2/2023 7
Foto: Bundeswehr