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Geschichte
gen gedeckt, die von türkischen Solda- ten besetzt waren und einen Angriff von Prinz Menschikows Feldarmee verhindern sollten.
Dass diese Bedrohung durchaus real war, zeigte sich bereits gut eine Woche nach dem Beginn der Belagerung. Am 25. Oktober 1854 kam es zur Schlacht von Balaklava, als russische Truppen unter dem Befehl von General Paul Liprandi die nur schwach verteidigte rechte Flanke der alliierten Belagerungslinie attackier- ten. Ziel der Russen war die Einnahme der Bucht von Balaklava und damit die Unter- brechung der alliierten Nachschublinien. Zwar konnten die Russen den alliierten Versorgungshafen nicht erobern, doch verloren die Briten die Kontrolle über die Verbindungsstraße zwischen Balaklava und den Höhen über Sewastopol. Das bekannteste Ereignis des Gefechts war die desaströse Attacke der britischen Leichten Kavalleriebrigade gegen gut verschanzte russische Truppen, die für rund die Hälfte der britischen Angreifer mit Tod oder Verwundung endete und von dem britischen Dichter Alfred Lord Ten- nyson in seinem Gedicht „The Charge of the Light Brigade“ von 1855 berühmt gemacht wurde. Beide Seiten verloren in der Schlacht von Balaklava jeweils rund 620 Mann.
Nur einen Tag später, am 26. Oktober, erfolgte ein Angriff russischer Truppen auf die Stellung der britischen 2. Division bei Inkerman, der jedoch durch heftiges Artil- leriefeuer zurückgeschlagen wurde. Dabei verzeichneten die Russen Verluste von 270 Mann, während die Briten 100 Soldaten einbüßten. Am 5. November 1854 schließ- lich scheiterte ein Ausfall der in Sewasto- pol eingeschlossenen russischen Truppen, der aber von den Briten und Franzosen wiederum bei Inkerman zurückgeworfen wurde. Die Schlacht kostete 2500 Briten, 1700 Franzosen und rund 12 000 Russen das Leben. Ursache für diese verheerende Niederlage war die mangelnde Koopera- tion zwischen den russischen Befehlsha- bern, weshalb General Menschikow nach der Schlacht von Inkerman seines Kom- mandos enthoben wurde. Sein Nachfol- ger wurde General Michail Dmitrijewitsch Gortschakow.
Bewaffnete Neutralität
Doch nicht nur im Schwarzen Meer, auch in der Ostsee kam es während des Krim- kriegs zu Kampfhandlungen. Zum Schutz
ihres Handels mit Russland schlossen sich Preußen, Schweden und Dänemark zu einer „Bewaffneten Neutralität“ zusam- men. Das konnte aber das Einlaufen bri- tischer und französischer Kriegsschiffe in die Ostsee sowie Angriffe der Alliier- ten auf russische Häfen nicht verhindern. Am 16. August 1854 eroberte ein franzö- sisches Geschwader die russische Fes- tung Bomarsund auf den am Eingang des Bottnischen Meerbusens gelegenen Åland Inseln. Gut ein Jahr später, vom 9. bis 11. August 1855, beschoss eine eng- lisch-französische Flotte die nahe der fin- nischen Stadt Helsinki errichtete russische Inselfestung Sveaborg, wobei sie schwere Schäden verursachten. Letztendlich war aber der einzige wirkliche Erfolg der bri-
panzern, und so vor der gegnerischen Artillerie zu schützen. Dementsprechend hatten französische Werften im August 1854 mit dem Bau von fünf gepanzerten, sogenannten „Schwimmenden Batterien“ begonnen und im September 1854 war von der britischen Admiralität der Auftrag zum Bau von fünf weiteren Panzerfahrzeu- gen auf der Basis der französischen Pläne erteilt worden.
Die Entwürfe dieser neuartigen, aus- schließlich für den Einsatz in küstennahen Gewässern bestimmten Fahrzeuge sahen massive, 20 cm starke Holzrümpfe vor, die über der Wasserlinie von einem auf der hölzernen Bordwand befestigten, schmie- deeisernen Panzergürtel von maximal 110 mm Stärke geschützt wurden. Bewaff-
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Wichtigste Schauplätze des Krimkrieges: Krim, Küste Südrusslands, Nordküste der Türkei und die Donaufürstentümer
tisch-französischen Operationen, rus- sische Truppen zu binden, die sonst im Schwarzmeergebiet hätten eingesetzt werden können.
Panzerbatterien
Wie bereits im Gefecht von Eckern- förde am 5. April 1848, bei dem das däni- sche Linienschiff cHristiAN VIII. in Brand geschossen und schließlich durch eine Explosion der Pulverkammer zerstört worden war, hatten auch die Schlacht von Sinope sowie die jüngsten Ereignisse vor Sewastopol erneut eindrucksvoll gezeigt, welche Gefahr die neuen Bombenkano- nen für hölzerne Kriegsschiffe darstell- ten. Daher hatte man in Großbritannien und Frankreich bereits kurz nach der See- schlacht von Sinope die schon seit länge- rer Zeit kursierenden Überlegungen auf- gegriffen, Schiffe mit eisernen Platten zu
net waren die Panzerbatterien mit sech- zehn 50-Pfünder-Geschützen in Breitsei- tenaufstellung auf dem geschlossenen Batteriedeck sowie zwei 12-Pfünder-Kano- nen auf dem Oberdeck.
Angetrieben wurden diese etwa 1800 ts verdrängenden, rund 53 m langen und etwas über 13 m breiten schwimmen- den Artillerieplattformen von einer rela- tiv schwachen Dampfmaschine, die bei gutem Wetter eine Höchstgeschwindig- keit von lediglich 4 kn ermöglichte und die von einer einfachen Barktakelage ergänzt wurde. Aufgrund ihrer plumpen Rumpfform und ihrer Behäbigkeit erhiel- ten die kaum seetüchtigen Panzerbatte- rien rasch den Spitznamen „Seifenkis- ten“. Allerdings sollten sie ihre Wirksam- keit im Kampf im weiteren Verlauf des Krimkriegs nachdrücklich unter Beweis stellen. 7
Fortsetzung folgt


































































































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