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MARITIME SICHERHEITSPOLITIK
Sicherheitskooperation in Südostasien
Dr. Jan Asmussen*
Maritime Sicherheit in Südostasien wurde erstmals auf dem ASEAN-Regionalforum (ARF) als zentrales Anlie- gen angesprochen. In der Folge wurde die maritime Sicherheit
im Rahmen des Bali-Abkommens II im Jahr 2003 zu einem umfas- senderen Thema für die ASEAN und führte zur Einrichtung des ASEAN Maritime Forum (AMF) und des Enhanced ASEAN Mari- time Forum (EAMF) im Jahr 2012. Die regionale Zusammenar- beit nahm mit Initiativen wie Eyes in the Sky, die Teil der Malacca Straits Security Initiative sind, Gestalt an. Andere regionale Part- ner trugen weiterhin zu den Bemühungen bei, wobei Japan 2006 am Regionalen Abkommen über die Zusammenarbeit gegen bewaffnete Piraterie (ReCAAP) teilnahm.
Auch wenn die Weichen für ein stärker vernetztes und integrier- tes Vorgehen gestellt scheinen, ist noch unklar, wie sich dies auf allgemeinere Sicherheitsbelange wie Chinas Eindringen in die AWZ von Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen auswir- ken wird. Wie lässt sich darüber hinaus eine chinesische Vorherr- schaft in der Region und eine gewaltsame Destabilisierung, wie z.B. eine Invasion in Taiwan, verhindern?
Da all dies die südostasiatischen Staaten in ein Sicherheitsdi- lemma bringt, stellt sich die Frage nach einer verstärkten regio- nalen Sicherheitskooperation und damit auch nach den Garan- tien, die mit breiteren Partnerschaften verbunden sind. Wenn die lokalen Akteure eine offene Abhängigkeit von den USA ver- meiden wollen, sind sie gezwungen, engere Allianzen unterein- ander und in der näheren Nachbarschaft, etwa mit Indien und Japan, zu suchen.
Eine vom Autor dieses Beitrags erstellte Studie hat sich mit dem maritimen strategischen Denken in Thailand, Malaysia und Singa- pur befasst. Aufgrund von Strategiedokumenten und Interviews mit lokalen Experten, Politikern und Militärs wurde die Koope- ration der Seestreitkräfte beleuchtet. Gefragt wurde nach den Hauptbedrohungen für die jeweiligen Seestreitkräfte, den Mari- nepartnerschaften, den Vorbereitungen auf einen möglichen glo- balen Konflikt im Südchinesischen Meer oder einer Invasion Tai- wans durch die VR China. Weiterhin nach der möglichen Rolle Indiens und dem Beitrag Europas bei der Bewältigung künftiger maritimer Bedrohungen. Die Studie zeigt den langen Weg auf, der für eine integrierte maritime Sicherheit noch zu beschreiten ist. Die Marine der Republik Singapur (RSN) ist die leistungsstärkste Marine in Südostasien. Ihre Flotte besteht aus 6 Fregatten, 6 Kor- vetten, 4 Patrouillenbooten, 8 Küstenwachbooten, 4 Landungs- schiffen, 4 Minenjagdbooten sowie 8 U-Booten. Singapur defi- niert sich selbst als maritime Nation. Die Abhängigkeit vom Meer prägt Singapurs Einstellung zur maritimen Sicherheit. Dennoch besteht eine offensichtliche Kluft zwischen der maritimen Sicher- heit und der allgemeinen maritimen Kultur des Landes.
Auch Malaysia definiert sich stark über die maritime Dimension. Der Kern der Flotte der Royal Malaysian Navy (RMN) besteht aus
2 Fregatten, 6 Korvetten, 2 U-Booten und 10 Hochsee-Patrouillen- schiffen. Hinzu kommen 20 schnelle Angriffsschiffe, 41 schnelle Abfangboote, 4 Minenräumboote, 2 Mehrzweckunterstützungs- schiffe, 2 Hilfsschiffe, 1 U-Boot-Rettungsschiff sowie 3 Schulschiffe und 3 hydrographische Vermessungsschiffe. Während die Anzahl der Schiffe beeindruckend erscheint, ist ihre tatsächliche Kampf- kraft eher begrenzt, da etwa 60 % der Ausrüstung veraltet ist oder schnell altert.
Das Königreich Thailand unterhält eine Seestreitkraft, die zu den stärksten in Südostasien zählt. Die 130 Schiffe der Königlichen Flotte bestehen aus Fregatten, die mit Boden-Luft-Raketen ausgerüs- tet sind, schnellen Angriffsbooten, die mit Boden-Boden-Raketen bewaffnet sind, großen Küstenpatrouillenbooten, Küstenminen- legern, Küstenminenräumbooten, Landungsbooten und Ausbil- dungsschiffen. Außerdem besitzt Thailand einen Flugzeugträger, der allerdings nur Hubschrauber aufnehmen kann. Die Königlich- Thailändische Marine (RTN) ist eine Überwasserstreitkraft, die in erster Linie der lokalen und regionalen Verteidigung dient. Darauf basierend könnendie eingangs gestellten Fragen wie folgt beantwortet werden: Singapur und Malaysia erkennen ein wach- sendes chinesisches Selbstbewusstsein in der Region als wich- tige maritime Bedrohung an. Dies geht jedoch nicht mit konkre- ten Änderungen in der Verteidigungsstrategie einher. Thailand bleibt sogar dahinter zurück, indem es behauptet, die Entwick- lungen im Südchinesischen Meer gingen es nichts an.
Alle Seestreitkräfte sind bereit, in polizeilichen Angelegenheiten zusammenzuarbeiten. Die Bereitschaft, dies auf eine echte mili- tärische Sicherheitszusammenarbeit auszudehnen, ist geringer. Kein Land und keine Marine bereitet sich auf einen möglichen Ausbruch eines globalen Konflikts im Südchinesischen Meer oder eine Invasion Taiwans durch die VR China vor. Es findet kein ent- sprechendes Wargaming statt. Es gilt das Prinzip der Hoffnung, sich aus jedem entstehenden Konflikt herauszuhalten. Infolge- dessen werden die Entscheidungen für diese Länder am Ende von anderen getroffen.
Indien ist offiziell bei Polizeimissionen willkommen, sollte sich aber hauptsächlich auf den Indischen Ozean beschränken.
Eine verstärkte Rolle Europas bei der Unterstützung südostasia- tischer Sicherheit, durch technische- und Ausbildungshilfe, wird überall gewünscht. Dies gilt auch für die Marinediplomatie. Darü- ber hinaus wird Europas warnende Diplomatie gegenüber China begrüßt, vor allem weil sie bedeutet, dass die Regierungen Süd- ostasiens dies nicht leisten müssen. 7
* Jan Asmussen ist Senior Research Fellow am German-South- east Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance (CPG) an der Tammasat University in Bangkok und Politikwissenschaftler an der Christian-Albrechts-Univer- sität Kiel.
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