Page 37 - Leinen los! 10/2023
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Befund Fertigung eines Zwischenstücks, Ausrichten der Kurbelwelle, Auswuchten des Propellers, Überholen der Steuerun- gen, Egalisieren der Kulissen und Zapfen, Ausbohren/Ausrichten der Halslager, Reparatur zerbrochener Maschinendreh- vorrichtung, Ausmessen der Zylinder, Kes- selreinigung, Überholung aller Sicherheits- ventile, Abdrücken aller Zellen und Tanks, Abdichtung aller Leckagen an Oberdeck und Aufbauten, Installation einer Notbe- leuchtung im Maschinenraum ...“. Der sei- tens der Werft aufgetragene Farbanstrich auf blankem oder verrostetem Stahl ent- sprach nicht den Konservierungsvorschrif- ten. Das Schiff musste entrostet und neu gepönt werden.
Viele Besatzungsangehörige muster- ten nach der ersten Fahrt ab. Sie hatten den Glauben an die Fahrtüchtigkeit des Schiffes verloren. Am 4. Juni 1951 sollte die Werftliegezeit enden. Zur Unterstüt- zung beim Abslippen der vOrwärts wur- den zwei Schlepper herangezogen. Beim Heruntertäuen kollidierte ein Schlep- per mit der Schiffschraube. Es brach ein Stück ab. Am Stralsunder Werftkai lie- gend, geriet dann ein Schwimmkran bei auflandigem Wind wiederum gegen die Schiffsschraube. Durch die Reparatur ver- längerte sich die Werftliegezeit bis Ende August 1951. Schließlich konnte die vOr- wärts am 1. September 1951 von der DSU übernommen werden. Die DSRK erstellte das Klasseattest. Die Stralsunder Werft übernahm die Garantie für sechs Monate. Die vOrwärts sollte am 8. September von Stralsund ablaufen, um von Rostock seine zweite Ladungsreise anzutreten. Völlig überraschend wurde dem 1. Offizier Schla- debach an diesem Tag gemeldet: „Was- sereinbruch im Laderaum“. Man hatte vergessen, den Mannlochdeckel eines Tanks einzusetzen. So drang beim Flu- ten des Tanks Wasser in den Laderaum. In den Folgejahren war die Einsatzbereit- schaft des Dampfers eine ständige Bewäh- rungsprobe für die Besatzung.
Das Ende
Die vOrwärts fuhr vom 10. Septem- ber 1951 bis zur Außerdienststellung am 20. April 1954 insgesamt 105 Ladungs- und 61 Ballastreisen, vorwiegend in der Ostsee. Sie beförderte 90 266 t Güter. Wegen der technischen Mängel und kostenintensiven Reparaturen, irreparablen Schäden an der Kesselanlage, folgte nach vier Jahren die Außerdienststellung. Nach Umbau diente
Handelsschiff vOrWärtS
das Schiff ab 1957 als Ausbildungsstätte „Junger Matrosen“ der Pionierorganisa- tion, in Rechtsträgerschaft der Stadt Ros- tock. Das Pionierschiff lag auf der Warnow am Mühlendamm, ab 1981 am Kabutzenhof und ab 1987 an den Rostocker Silos. Trotz Aufnahme in die Kreisdenkmalliste von Ros-
tock (1978, 1984) gelang es aus finanziellen Gründen nicht, das Schiff zu erhalten. Am 29. März 1989 trat die vOrwärts ihre letzte Fahrt nach Rostock-Marienehe zur Abwra- ckung und Metallaufbereitung an. Damit endete das 38-jährige Kapitel des ersten Handelsschiffes der DDR. 7
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Geschichte
Foto: Schifffahrtsmuseum Rostock
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