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Hans Jürgen Witthöft
Nahezu zeitgleich mit dem 150-jähri- gen Bestehen des Unternehmens ist nach der Taufe durch Flensburgs Ober-
bürgermeisterin Simone Lange auf den Namen tennor oceAn bei der Flensbur- ger Schiffbau-Gesellschaft die Baunum- mer 782 vom Stapel gelaufen. Allein die hohe Baunummer legt Zeugnis ab von der Leistungsfähigkeit dieser Werft. Sie hat viele Höhen mitgemacht, hat etliche Tie- fen überlebt und kann weiter als Trumpf in der deutschen Werftenlandschaft gelten. Am 3. Juli 1872 gründeten Flensbur- ger Kaufleute die Flensburger Schiffs- bau-Gesellschaft (noch mit einem „s“ im Namen) als Aktiengesellschaft. Ein ers- ter Standort wurde an der Westseite des Hafens eingerichtet. Bereits 1875 lief mit dem Vollschiff doris Brodersen der erste Neubau vom Stapel, ein Jahr später die septimA (1800 tdw) als erster Dampfer und dann folgten jährlich viele Neubau- ten, auch für ausländische, vor allem däni- sche Reedereien. Bei Ausbruch des Krie- ges 1914 war die Werft, die sich unterdes- sen zum größten Arbeitgeber in der Stadt an der Förde entwickelt hatte, bereits bei der Baunummer 340 angelangt.
Den Krieg und die beiden folgenden bei- den Jahrzehnte überstand die FSG weit- gehend unbeschadet, abgesehen von den allgemeinen Einflüssen der wirt- schaftlichen und politischen Entwick- lung. Der Zweite Weltkrieg traf die Werft dagegen hart. Sie wurde zunächst von der Kriegsmarine für den U-Bootbau in Anspruch genommen und lieferte unter anderem 28 VII C-Boote ab. Für den
Die Luftaufnahme zeigt die vollbelegte Werft in guten Tagen
U-Bootbau war sogar ein neues Werft- gelände mit drei Helgen angerlegt wor- den, das nach dem Krieg für zivile Zwe- cke genutzt wurde, als das Unterneh- men komplett seinen Standort dorthin verlegte. Etwa ab 1943 bis Kriegsende konnte man sich wieder weitgehend auf den Überwasserschiffbau konzentrieren. Nach Gründung der Bundesrepublik setzte auch für die FSG langsam wieder ein Aufschwung ein. Sie stabilisierte sich ab 1955 finanziell und modernisierte ihre Anlagen. 1982 wurde sogar eine 275 m lange Schiffbauhalle gebaut, die zwei der drei Helgen ersetzte. Die Werft konzen- triertesichimmermehraufdenBaugro- ßer Ro/Ro-Fährschiffe, baute aber auch drei hochspezialisierte Flottendienst- boote und den Einsatzgruppenver- sorger Berlin für die Marine. Die letz- ten zwei Jahrzehnte waren geprägt von
mehrfachen Eigentümerwechseln, was schließlich, auch als Folge anderer äuße- rer Einflüsse, im April 2020 in die Insol- venz führte.
Ein vielversprechender Neustart gelang, als wenige Monaten später der Finanzin- vestor Windhorst zum zweiten Mal das schon geschrumpfte Unternehmen über- nahm, zumindest der Hälfte der Mitar- beiter die Zukunft sicherte und sogar einen neuen Auftrag mitbrachte. 2021 kämpfte sich die FSG zurück, übernahm sogar die angeschlagene Werft Nobis- krug in Rendsburg und konnte im Herbst ihren ersten externen Auftrag buchen. Eine australische Reederei bestellte eine Ro/Ro-Fähre mit LNG-Antrieb im Wert von über 100 Mio. Euro. Als Mitte Juni 2022 nach längerer Pause unter der Baunummer 782 erstmals wieder ein Neubau vom Stapel lief, die 210 m lange Ro/Ro-Fähre tennor oceAn lagen in der Gruppe FSG-Nobiskrug bereits sechs weitere Aufträge vor. Man will laut Geschäftsführung künftig einerseits die Konzentration auf Spezialschiffe wie Ro/Ro-Fährschiffe fortsetzen, aber sich andererseits auch wieder verstärkt am Marinemarkt orientieren. 7
Das motiviert: nach längerer Pause geht Mitte Juni 2022 mit der Ro/Ro-Fähre tennor ocean wieder ein Neubau zu Wasser
Mensch.Schifffahrt.Meer.
Viele Höhen, etliche Tiefen
150 Jahre Schiffbautradition bei der FSG in Flensburg
Leinen los! 10/2022 13
Fotos: FSG


































































































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