Page 91 - Art Auction June 27, 2020 Lempertz (German Text)
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            Morita Shiryû (1912-1998)

            Bildtafel. Das Schriftzeichen „Ki“ (Baum). Aluminiumpaste auf schwarzem Papier, mit Transparentlack überfangen. Auf der
            Rückseite das Papieretiquette des Künstlers mit handschriftlicher Angabe des Titels, der Maße, des Datumes 1989, der Signatur in
            Tusche Morita Shiryû und einem Siegel. Gerahmt.

            Morita Shiryû stammte aus Toyooka in der Präfektur Hyôgo. Ab 1935 wurde er von dem Schreibmeister Ueda Sôkyô in Tokyo
            in das künstlerische Schreiben eingeführt, später kam er unter den Einfluss von Tajima Yukei. 1948 gründete er die Zeitschrift
            „Sho no bi“, die 1950 von „Bokubi“ abgelöst wurde. Hier setzte man sich mit westlicher Kunst auseinander und hob die abstrakte
             Schönheit von Tuschformen hervor. Doch war mit abstrakter Kunst nicht das zu erreichen, was man mit dem Schriftzeichen
            ausdrücken kann. Ab 1950 in Kyoto wohnend, fand er seinen geistigen Lehrer in dem Zen-Philosophen Hisamatsu Shin‘ichi. Man
            gründete die Bokujinkai (Tusche-Mensch-Gruppe), der auch Inoue Yûichi angehörte. Zu seinem Stil hat Morita um 1960 gefun-
            den: temperamentvoll gemalte Zeichen, in breiten Bahnen und zu Spritzern explodierend. Bewegung wird zur Gestalt.
            Der Gehalt und die tiefe Bedeutung eines Schriftzeichens waren für ihn Ausgangspunkt. Mitte der 1960er-Jahre begann er (bis in
            die 1980er-Jahre) mit neuen Materialien zu experimentieren, mit Aluminiumpaste auf mehreren Schichten schwarzen Papiers.
            Die Fläche wurde anschließend mit Naturlack überfangen, dessen gelbliche Tönung den Zeichen einen Goldton verlieh. Die
            notwendigerweise pastos wirkende Aluminiumpaste ließ die Pinselbewegung deutlich zum Ausdruck kommen. Sie bewirkt eine
            Steigerung der Linie und fügt eine Räumlichkeit hinzu. Um 1965 entwickelte er auch die Technik des Schreibens in Schwarz auf
            Blattgold, die er allerdings selten anwandte.
            80 x 160 cm
            € 70.000	–	90.000







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