Page 145 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Persönlicher Brief an meine Maman, 2007
Allerliebste Maman
Die Zeit vergeht wie im Flug, seit wir uns das letzte Mal
begegnet sind. Wie geht es Dir in dieser kalten Jahres-
zeit? Vor allem holt Dich doch jedes Mal die Vergangen-
heit ein, wie viele müssen wieder draußen leiden in die-
ser Kälte, und was macht der Staat? Wir denken oft mit
freudigen Herzen an dich, auch meine liebevolle Frau
Carmen lässt euch von ganzem Herzen grüßen und dabei
hoffen wir, dass es dir gesundheitlich gut geht und du
nicht allzu viele Schmerzen hast? Zum Glück haben wir
Noisy-le-grand hinter uns lassen dürfen. Auch wenn es
für immer in unseren Seelen eingebrannt ist und wir die
Menschen aus anderer Sicht sehen, hoffen wir doch im-
mer auf das Gute im Menschen. Liebe Maman, ich bin
noch viel herumgereist in meinem Leben, nur um meine
Seele zu beruhigen, aber man kann sich dabei nicht aus-
ruhen, bei dieser Weltpolitik. Dabei sollten alle in Koexis-
tenz leben und einander mit Achtung und Liebe begeg-
nen, dachte ich. Liebe Maman, wir drücken dich fest an
uns und küssen dich und sage mir: Was macht eure Ver-
waltung wegen den vielen Katzen? Carmen hat zwi-
schendurch auch zu kämpfen wegen ihrem Coiffeur Sa-
lon und ich bin immer noch auf der Suche nach einem
neuen Job, vielleicht bei der Post in der Logistik. Weißt
Du, Maman, ab 40 Jahren gehört man in unserer Gesell-
schaft zum alten Eisen. Aber genug gejammert, wir be-
wundern dein gemeistertes Leben und deine verbrannte
Seele, wie du bestehen musstest, und niemand stand dir
beiseite, das ist Liebe und Stärke! Ich denke, der Staat
sollte dir einen Orden verleihen und bei dir auf Knien um
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