Page 146 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Verzeihung bitten, für seine stupiden Taten. Dabei hat
man uns dir einfach weggenommen, uns unserer Sprache
beraubt, vielleicht wollte das Schicksal es so? Nebenbei
habe ich dem Pfarrer zweimal das Leben gerettet und er
hat uns wie Sklaven behandelt. Aber Sklaverei macht
stark, oder etwa nicht? Wir dürfen zurückschauen und
sagen, unsere Hände haben das alles liebevoll ge-
schmückt und geformt. Dabei wurden wir sehr stark,
vielleicht oft auch zu hart anderen Menschen gegenüber,
nur um die eigene Seele nicht offenbaren zu müssen,
weinten oft in uns hinein, denn wir mussten als Geiseln
der Menschheit unten durch. Aber der Glaube an einen
oder vielleicht einzelne gerechte Mitmenschen konnte
uns nicht genommen werden, liebste Maman. Bei mir
waren es die Tiere, speziell Pferde, die mir den Glauben
an die Mitmenschen wiedergaben, was war es bei dir,
meine allerliebste Maman! Ich hätte schon gerne einmal
meinen leiblichen Vater gesehen, um zu wissen, was er
empfindet und wie er das Leben meistert, um einfach
einmal in den Arm genommen zu werden und in unseren
gemeinsamen Spiegel zu schauen und um auszuruhen,
wie bei dir, liebste Maman. Durch dich hat sich mir ge-
genüber wieder ein Stück Paradies aufgetan, ich danke
dir und dem Schicksal dafür, dass wir uns nach 47 Jahren
wieder für eine viel zu kurze Zeit in die Arme schließen
durften. Es gäbe noch so viel zu sagen, leider kann ich
mich in meiner Verzweiflung nicht ausdrücken, aber wir
verstehen uns auch so, liebste Maman. Erkläre mir ein-
mal: Hast du noch Kontakt zu den anderen Enkeln meiner
Großeltern, oder könntest du mir vielleicht eine Adresse
geben? Nebenbei: Hast du vielleicht noch die Adresse
von der Exfrau von Daniel, mit der er zwei Töchter hat?
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